Schicksalsfäden
ich.«
Bei seinen Worten hatte sie den Kopf zu ihm gedreht. Sie lächelte ihn schwach an. »Du hast nichts gutzumachen, Morgan«, sagte sie schwach. Ihre Augen waren immer noch feucht. »Es war nicht deine Schuld, dass du mich für Vivien Duvall gehalten hast. Jeder hat das getan, und niemand hat daran gezweifelt, dass ich es bin. Und das hier …«, sie deutete auf das Laken, »konntest du auch nicht wissen. Außerdem wollte ich es auch. Ich wollte es so sehr.«
Sie lächelte ihn wieder an.
»Trotzdem bin ich verantwortlich«, sagte er niedergeschlagen, während er mit einer ihrer seidigen Locken spielte.
»Vivien«, setzte er dann an und stockte. »Verdammt, wie soll ich dich denn jetzt ansprechen?«
Ihre Lippen verzogen sich ganz leicht zu einem ironischen Lächeln. »Du kannst mich genauso gut weiter Vivien nennen. Was macht das für einen Unterschied? Außerdem habe ich mich schon daran gewöhnt. Ich will nicht den einen falschen Namen durch einen anderen falschen ersetzen. Ich will nur noch meinen richtigen Namen herausfinden.«
»Eigentlich bin ich froh, dass du nicht Vivien Duvall bist«, gab Grant fast kleinlaut zu. »Und ich bin froh, dass du noch nie einen anderen Mann geliebt hast.«
Sie zögerte einige Sekunden, ehe sie ihm in die grauen Augen sah und mit »Ich auch« antwortete.
Sie blickten sich für scheinbar endlose Augenblicke an. Beide waren überwältigt von ihren Gefühlen, der Angst vor einer ungewissen Zukunft und der Kraft der Liebe, die ihnen Gewissheit verschaffen würde.
Doch als Grant näher darüber nachdachte, was er Vivien angetan hatte, fühlte er sich schuldig und schlecht. Er war in einer unmöglichen Situation. Morgan Grant der Mann, der seine Gefühle immer unter Kontrolle hatte. Ha! Er war ein Witz. Nicht nur, dass er sich gegen seinen Willen in eine schutzbedürftige Frau verliebt hatte – er hatte sich auch noch in ihrer Identität geirrt und sie aus Versehen entjungfert! Was sollte er tun? Es gab nur eines: Er musste aufrichtig sein und ihr offen und ehrlich entgegentreten. Er musste ihr seine Lügen gestehen und auf ihr Verständnis hoffen. Hoffen, dass sie bei ihm blieb. Trotzdem war er sich darüber im Klaren, dass sie ihn vielleicht doch noch verließ, sobald sie ihre Erinnerung an ihr altes Leben wiedergefunden hatte.
Grant hätte niemals gedacht dass er sich für eine Frau so verantwortlich fühlen, sich ihr so nahe fühlen könnte. Der Sex selbst war eine ganz neue Erfahrung gewesen. Es war, als hätte er sich selbst gefunden in dem Moment als er ihre Unschuld genommen hatte. Er wollte sie wieder und wieder lieben, sie und sich erkunden, sich gegenseitig die Liebe lehren. Schon in den Tagen und Stunden zuvor hatte er sich widerwillig seine Liebe zu ihr eingestehen müssen, aber jetzt fehlte dem Gedanken an diese Liebe jegliche Bitterkeit. Die Liebe zu Vivien war nun mit einem Mal voller Wunder und Verheißung. Wie ein Schlafwandler blickte er in die Zukunft: unsicher und doch unverwundbar.
In diesem Moment fiel ihm ein, dass er ja auf Kellow wartete. Wo blieb der Kerl denn bloß so lange? Ärgerlich erhob er sich, ging zur Tür und öffnete sie. Der Gang war leer, kein Mensch zu sehen. Da stieß er mit einem Fuß an etwas Hartes und senkte den Blick. Dort an der Schwelle zum Schlafzimmer stand ein Silbertablett auf dem Boden mit all den gewünschten Dingen. Lautlos und taktvoll hatte Kellow Grants Wünsche erfüllt ohne sie zu stören. Grant musste unwillkürlich lächeln.
Er bückte sich, nahm das Tablett und zog die Tür mit einem Fuß wieder zu. Dann kam er die paar Schritte zum Bett zurück und stellte das Tablett darauf. »Hier«, sagte er und hielt ihr ein feuchtes warmes Tuch hin. Sie wischte sich erst über die geröteten Augen, dann schneuzte sie sich mit einer fast kindlichen Entschlossenheit die zarte Nase. In der Zwischenzeit hatte er eine Schüssel mit heißem Wasser gefüllt und ein Tuch darin nass gemacht und anschließend ausgewrungen. Sie hielt ihm ihr Gesicht ganz still hin und er begann es abzuwischen. Er verwischte die Spuren ihrer Tränen, er beruhigte das bebende Kinn, er brachte wieder blühendes Leben in die eben noch blassen Wangen.
Sanft zwang er sie aufs Kissen zurück. Er befeuchtete erneut das Tuch und wusch sie wie ein kleines hilfloses Kind: Arme, Brust Bauch und Beine. Er rieb sie überall kräftig ab, sprach ihr gut zu, war einfach bei ihr. Mit der Zeit entspannte sie sich, sträubte sich nicht einmal, als er die
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