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Schicksalsfäden

Schicksalsfäden

Titel: Schicksalsfäden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kleypas
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Muskelkater an den ungewöhnlichsten Stellen: Die Innenseiten ihrer Beine schmerzten bis hinunter zu den Knien. Auch ihr Nacken und ihre Schulter fühlten sich völlig verkrampft an. Sie begann gerade, sich nach einem heißen Bad zu sehnen, als sich die Tür des Schlafzimmers öffnete.
    Instinktiv grabschte Vivien nach dem Laken und zog es über ihre nackte Brust.
    Grant war frisch gebadet und rasiert. Sein noch feuchtes Haar war sorgfältig nach hinten gekämmt. Er war schon angezogen und hatte sich offensichtlich dabei Mühe gegeben: schwarze Seidenkrawatte und schneeweißes gestärktes Hemd, langer grauer Rock; unter den perlgrauen Hosen glänzten frisch polierte schwarze Schuhe.
    Stumm starrte Vivien den Mann vor ihr an. Konnte sie ihm böse sein, dass er ihr die Jungfräulichkeit genommen hatte? Ach, sie hatte sich ihm ja fast an den Hals geworfen. Sie hatten das Intimste erlebt was Mann und Frau miteinander erleben konnten. In ihrer noch schwachen Erinnerung war es wunderschön gewesen, und trotzdem konnte sie sich nicht dazu durchringen, ihm zu sagen, dass sie ihn liebte. Andererseits gab es zur Zeit ein paar andere Probleme und Fragen, die unbedingt noch geklärt werden mussten.
    Dann stand Grant vor ihr, nahm ihr Gesicht in beide Hände und drückte ihr einen langen warmen Kuss auf die Lippen. »Guten Morgen«, flüsterte er mit einem bübischen Lächeln. Sein wissender Blick ließ sie unwillkürlich erröten.
    »Müsstest du nicht auf dem Revier sein?«, fragte sie schläfrig. Das Licht das ins Zimmer fiel, verriet dass es später Vormittag sein musste. Grant war normalerweise schon vor Sonnenaufgang aus dem Haus.
    »Heute geh ich nicht in die Bow Street«, sagte er und setzte sich neben sie aufs Bett.
    Einige Sekunden dachte sie über seine Worte nach. »Wegen letzter Nacht?«, fragte sie dann unsicher.
    »Wir statten heute Linley einen Besuch ab.«
    »Was soll ich denn beim Arzt?«, fragte sie und öffnete dabei das erste Mal an diesem Morgen die Augen etwas weiter. »Soweit ich weiß, müssen auch nach dem ersten Mal die wenigsten Frauen zum Arzt.«
    »Vielleicht brauche ich ja einen Arzt. Schließlich war die letzte Nacht für mich auch ein ziemlicher Schock«, sagte er mit einem Schmunzeln und rieb seinen Kopf wie eine Katze an ihrem noch vom Schlaf wilden Schopf. Warum kommst du nicht einfach mit? Ich finde, der gute Onkel Doktor schuldet uns beiden ein paar Antworten.«
    Er griff nach einem Haufen roter Seide, der vor dem Bett auf dem Boden lag. Erst als er es anhob, erkannte sie, dass es ihr Kleid war. Sie versuchte in die Ärmel zu schlüpfen, ohne ihre Brüste zu entblößen.
    »Was ich mir vorwerfe, ist dass ich eigentlich in den letzten Tagen schon tausend Zeichen für deine Unschuld gesehen, aber sie nicht verstanden habe.« Er half ihr beim Anziehen, während er sprach, nahm mit beiden Händen ihr üppiges Haar aus dem Kragen des Kleides und ließ es über ihre Schultern fluten. In seiner Stimme hatte echtes Bedauern gelegen. »Ich war so fest davon überzeugt dass du Vivien Duvall bist dass mir gar keine Zweifel kommen konnten.« Er hielt inne, sah sie auf einmal sehr ernst an und legte eine ihrer Hände mit der Innenfläche auf seine Wange.
    »Bitte verzeih mir. Verzeih mir, dass ich nicht an dich geglaubt habe.« Es kostete ihn sichtlich Mühe, diese Worte der Reue über die Lippen zu bringen.
    »Es gibt nichts zu verzeihen«, erwiderte Vivien sanft. Sie spürte die Hitze seines Gesichts auf ihrer Haut. »Du hast mir kein Leid angetan. Im Gegenteil: Du hast mich von Anfang an beschützt. Ich vertraue dir und ich werde dir auch weiter vertrauen. Vertrauen müssen. Darum wäre es vielleicht auch besser, wenn wir nicht mehr …« Sie stockte und senkte den Blick.
    Grant ließ ihre Hand sinken und sah sie besorgt an. »Wenn wir nicht mehr was?«. fragte er mit hochgezogener Augenbraue.
    »… wenn wir nicht mehr miteinander schlafen würden. Wenigstens nicht in nächster Zeit.«
    Grant schien bestürzt, und man sah seiner Stirn an, dass er nicht verstand. »Warum?«
    Vivien zeigte plötzlich wieder den alten Stolz. Fast wirkte sie wieder wie die ›alte( Vivien Duvall, als sie ihr Kleid raffte und sagte: »Im Moment möchte ich dazu nichts mehr sagen.«
    Zum Glück bestand er nicht auf einer Antwort sondern begnügte sich mit ihrer Aussage. Allerdings zeigte seine Miene, dass er mit ihrem Entschluss ganz und gar nicht einverstanden war. Dann rang er sich doch zu einem Lächeln durch. »Wenn du

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