Schicksalsstürme: Historischer Roman (German Edition)
Atmen.
»Brida …«, stöhnte Hinrich.
»Ich bring Euch zu ihr.«
»Nein, nicht dahin …« Hinrichs Hand verkrallte sich in Eriks nassem Hemd. »Ist gefährlich … Wir müssen weg. Sag Kalle …« Ein heftiger Hustenanfall. »… sag Kalle, er soll uns nach Fehmarn bringen. Weg von hier.«
»Aber ich kann Euch doch nicht hier zurücklassen.«
»Hol mich mit Kalle. Nach Fehmarn …«
Hinrich sank kraftlos zurück. Erik tastete nach seinem Puls. Er war schwach, aber fühlbar. Dann riss er Hinrichs Hemd weiter auf. Die Wunde blutete noch immer. Verdammt, warum hatte er nichts, um die Blutung zu stillen? Was, wenn es zu spät war, bis Brida kam? Er zog sein eigenes Hemd aus und presste es auf Hinrichs Verletzung, in der Hoffnung, dass der nasse Stoff ausreichte, den Blutfluss aufzuhalten.
»Drückt fest drauf!«, befahl er Hinrich. »Ich hol Kalle und Brida.«
Der Kapitän schenkte ihm ein schmerzverzerrtes Lächeln.
»Ich verlass … mich drauf.«
»Und ich verlass mich drauf, dass Ihr am Leben bleibt, bis ich zurück bin.«
11. Kapitel
B rida hörte Schritte in der Diele und sprang auf. Na endlich!
Doch anstelle ihres Vaters betrat Pfarrer Clemens die Küche. Gefolgt von Kalle, der ein finsteres Gesicht zog. Erik war nicht dabei. Auch ihr Vater nicht.
»Mein armes Kind.« Der Pfarrer trat einen Schritt vor und wollte Brida tröstend in die Arme nehmen. Unwillkürlich wich sie zurück.
»Was ist geschehen? Habt Ihr Vater nicht gefunden? Und wo ist Erik?« Das Herz schlug ihr bis zum Hals.
»Brida, dein Vater …« Der Pfarrer hielt kurz inne, ehe er den Satz vollendete. »Dein Vater ist verschwunden.«
»Verschwunden?« Für einen Moment wollte ihr eben noch wild klopfendes Herz den Dienst versagen. »Was heißt das?«
Clemens atmete tief durch.
»Seyfried hat gesehen, wie Erik deinen Vater zur Sext am Hafen niedergestochen und ins Wasser gestoßen hat.«
»Nein!«, schrie Brida. »Das glaub ich nicht! Wo ist Erik? Das hätte er nie getan.«
Marieke schlug die Hand vor den Mund. Auf einmal war es totenstill in der Küche.
»Brida, ich habe dich von Anfang an vor diesem Mann gewarnt«, brach der Pfarrer die Stille. »Und seine Flucht beweist …«
»Gar nix beweist die!«, fuhr Kalle dem Geistlichen über den Mund. »Ihr habt ihn in die Enge getrieben. Er hatte ja gar keine Möglichkeit, sich zu rechtfertigen. Und außerdem kann er’s nicht gewesen sein. Er hatte ja nicht mal ’ne Waffe. Anstatt hier rumzujammern, sollten wir den Käpt’n suchen.«
»Das wird die Stadtwache übernehmen. Brida, Kind, ich kann deinen Schmerz verstehen, den Vater zu verlieren, ist hart, ich habe …«
»Er ist nicht tot!«, unterbrach sie seinen Redeschwall. War Clemens irrsinnig geworden? Was fiel ihm ein, so salbungsvoll zu reden und Lügenmärchen zu verbreiten?
»Solange ich Vaters Leichnam nicht gesehen habe, glaub ich dem Seyfried kein Wort. Der hat schon manchmal Dinge gesehen, die ihm nur der Suff eingegeben hat.«
Sie fand Kalles Blick und las in seinen Augen ihre eigenen Gedanken.
»Brida …« Der Pfarrer wollte ihr die Hand auf die Schulter legen, doch sie wich drei Schritte zurück, bis sie das Fensterbrett im Rücken spürte.
»Er ist nicht tot! Und Erik hätte so etwas niemals getan«, wiederholte sie beharrlich.
Clemens senkte den Blick. »Kind, du weißt, ich bin immer für dich da. Nicht nur als Pfarrer, sondern auch als nächster Angehöriger, wenn sich, was Gott verhüten möge, meine Worte leider doch als wahr herausstellen sollten.«
»Sucht endlich meinen Vater, statt lang und breit daherzureden!«, schrie sie.
»Das ist Aufgabe der Stadtwache«, entgegnete der Pfarrer erstaunlich gelassen. »Und die Männer werden auch den Mörder fassen. Aber ich sehe schon, du möchtest jetzt allein sein. Ich komme wieder, wenn ich Neuigkeiten habe oder du meines Trosts bedarfst.«
Brida atmete hörbar auf, als Clemens die Tür von außen geschlossen hatte. So tief würde sie niemals sinken, dass sie seinen Trost brauchte!
»So, Kalle, nun erzähl mir, was wirklich geschehen ist!«
Der Schmuggler berichtete ihr von Seyfrieds Beschuldigung am Hafen und von Eriks Flucht.
»Ich glaub auch nicht, dass der Erik so etwas getan hat. Der war wirklich erschüttert, als er das hörte. Hat den Pfarrer angeschrien, der wüsst, dass er unschuldig sei, weil er ihn zur Sext gesehen hätte. Aber das hat der Clemens abgestritten. Wollte dann, dass Lucas ihn festnimmt. Ich glaub, da hat der Erik
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