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Schieber

Schieber

Titel: Schieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Rademacher
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nicht auf die Tränendrüse.«
    »Du meinst, dass Adolf Geschäfte gemacht hat, die nichts mit Kohlen
zu tun haben.«
    »Auf dem Hansaplatz.«
    »Schwarzmarkt?«
    »Und Schmuggel.«
    »Zigaretten? Schmuck?«
    »Manchmal. Aber der Adolf war den anderen einen Schritt voraus.
Tonbänder.«
    »Was wollte er denn damit?«, fragt der Oberinspektor verblüfft.
»Heute hat kaum noch jemand ein Bandgerät. Und Strom dafür erst recht nicht.«
    Sie hebt die Schultern. »Wie gesagt: Ich habe mich umgehört. Auf dem
Hansaplatz hat mir ein Junge, der dort immer Schmiere steht, die Sache
gesteckt. Adolf hat Tonbänder verschanzt.« Sie lächelt schüchtern. »Auf eigene
Rechnung, hat er mir gesagt.«
    Stave wischt sich mit einem Taschentuch den Schweiß aus der Stirn.
Warum sollte Adolf Winkelmann Tonbänder schmuggeln? An wen sollte er eine
solche Ware verkaufen? Großschieber vom Schwarzmarkt, die zu viel Geld gekommen
sind? Bauern aus Holstein, die mit den Tauschwaren der Kartoffelleute auch ein
Tonbandgerät eingehandelt haben und nun Musik aufnehmen wollen? Absurd.
    »Wer waren die Abnehmer der Tonbänder?«
    »Weiß ich nicht. Aber das finde ich noch raus.«
    Stave denkt an den Fundort der Leiche und daran, was ihm MacDonald
über Blohm & Voss im Weltkrieg geschrieben hat. »Hat Adolf etwas mit DPs zu
schaffen gehabt? Ehemalige Zwangsarbeiter? Russen? Polen?«
    »Wenn der sich mit Russen abgegeben hätte, dann hätte ich kein Wort
mehr mit dem geredet«, antwortet Hildegard Hüllmann bestimmt.
    Und deshalb hat er dir vielleicht erst gar nichts über sie erzählt,
denkt der Oberinspektor, schweigt aber. Keine Informationen über
Zwangsarbeiter. Nichts Neues über die Kohlenklauer. Er fragt sich, ob ihm die
junge Prostituierte die Geschichte mit den Tonbändern als Köder vor die Nase
hält, um ihn von den wirklich wichtigen Dingen abzulenken. Oder sie weiß
tatsächlich nicht mehr. Immerhin hat sie den Jungen ja nur wenige Male
getroffen. Behauptet sie.
    »Sei vorsichtig«, sagt er und erhebt sich von der Bank. »Halt dich
von Meinke fern.«
    »Der ist nicht halb so gefährlich wie die Tante.«
    Stave hält inne. »Greta Boesel?«
    »Wenn das ihr Name ist, dann passt er. Adolf hat mir mehr als einmal
gesagt, dass seine Tante eine Eisenfresserin ist.«
    Der Oberinspektor hat den Ausdruck noch nie gehört und hebt nur
fragend eine Augenbraue.
    »Kommt vom Boxen. Ein harter Knochen. Die hielt ihn kurz, dabei
scheffelt sie die Reichsmarkscheine nur so herein. Adolf sagte, dass sie die
wirklich großen Dinger dreht. Und ich glaube, er hatte Angst vor ihr.«
    Stave versucht sich vorzustellen, wie Greta Boesel ihren
großgewachsenen Neffen ersticht. Auf einem Blindgänger im Hafen. Tante und
Neffe hatten sicher ihre Geheimnisse voreinander. Und sicher waren beide
Geschäftsleute auf dieser Seite der Legalität und auf der anderen Seite. Aber
Mord?
    »Fühlte er sich von seiner Tante bedroht?«
    »Nein, das nicht«, gibt Hildegard Hüllmann zu. »Er war nur auf der
Hut vor ihr. Nach allem, was ich von ihm weiß, war sie der einzige Mensch, vor
dem er wirklich Respekt hatte.«
    Was im Umkehrschluss bedeutet, dass Adolf Winkelmann vor Meinke und
den Kohlenklauern keine sonderliche Ehrfurcht hatte und dies wahrscheinlich
auch gezeigt hat, denkt der Oberinspektor. War vielleicht sein Fehler.
    »Lassen Sie mich vom Haken?«, fragt sie hoffnungsvoll. »Kein Ausflug
in die Feuerbergstraße. Vergessen Sie nicht: Ich habe Sie angesprochen. Ich
hätte mich auch verdrücken können.«
    Er lächelt und schüttelt den Kopf. »Es würde den Erzieherinnen verdächtig
vorkommen, wenn immer derselbe Beamte dich einliefert.«
    Sie wirft ihm eine kokette Kusshand zu und stolziert davon. Er
blickt ihr nach, dreht sich um. Zum Hansaplatz. Langsam hinkt er den Bahnsteig
entlang. Er ist beinahe allein am Gleis. Nur eine Reisende, einige Meter
entfernt. Stave denkt daran, was er gerade gehört hat. Und an das, was er für
Karl gleich kaufen will. Seine Gedanken wirbeln. Er ist fast an der Frau
vorbeigelaufen, als er sie endlich erkennt.
    Anna.
    »Ich wollte dich zum Mittagessen einladen. Deine
Sekretärin hat mir gesagt, dass du hier bist«, sagt sie kühl. »Aber ich wollte
nicht stören.« Sie deutet mit dem Kinn auf die magere Gestalt von Hildegard
Hüllmann, die am anderen Ende des Bahnsteigs eine Treppe hochspringt.
    »Ich führe Ermittlungen durch«, stottert der Oberinspektor.
    »Verabschiedet sich jede Verdächtige von dir mit Kusshand?«
    Stave

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