Schief gewickelt (German Edition)

schlechtes Gewissen. Man kann viel von mir erwarten, aber nicht, dass ich mich auf eine Männerfreundschaft mit einem Versicherungskampfrhetoriker einlasse.
    Die Kinder haben nur noch Windeln an, damit die Klamotten bei den Planschespielen nicht nass werden, und die Mütter stehen inzwischen allesamt an der Dachterrassenbrüstung und lassen Tante Hilda ihren Job machen. Die Aussicht ist fantastisch. Fernsehturm, Domkuppel, Synagoge, alles strahlt uns an und gratuliert zum schönen Nachmittag. Durch die Scheibe sehe ich, wie Herr Baumer auf der Toilette verschwindet. Irgendwie ärgert mich das. Er hat diese Toilette nicht verdient. Und erst recht nicht die Scarlett-Johansson-Fotostrecke. Gleich kommt er sicher zu mir. »Würden Sie mit einer Frau verheiratet sein wollen, die ihre Brüste Mädels nennt?« – »Hmmm … schwierig.«
    Ich umarme Simone von hinten. Wir schließen beide die Augen und lassen uns bescheinen. Ich liebe es, wie sie riecht. Ganz besonders in der Sommersonne.
    »Warum klappen wir eigentlich nicht die Liegen aus?«
    Annette hat völlig recht. Tante Hilda hat diese Art Sonnenliegen, auf die man sich drauflegt und nie wieder aufstehen möchte. Man schwebt gerade mal zwanzig Zentimeter über dem Boden, fühlt sich aber komplett außerhalb von Raum und Zeit. Wir strecken uns aus, und ich lege mir Simones Hand auf den Bauch. Für einen kurzen Moment verlaufen unsere Planetenbahnen ein bisschen weniger eierig, weil sich der dritte Planet gerade auf der anderen Seite der Sonne befindet.
    Nach gefühlten zwei Sekunden kommt der dritte Planet natürlich wieder herangeschossen und patscht mir auf den Arm. »Na, was ist los, Daniel?«, sage ich und wuchte ihn mir mit einem eleganten Schwung auf den Bauch. Der Grund seines Besuchs ist natürlich nicht, dass er sich zwischendrin meiner ungebrochenen Zuneigung versichern wollte. Nein, die Windel ist mal wieder fällig. Nun ja. Gehört dazu. Wer nach zweieinhalb Jahren immer noch mit dem Windelwechseln hadert, hat einfach nicht die Eier für gepflegtes Papatum. Aber von dieser Liege aufzustehen ist wirklich verdammt schwer.
    Daniel tapert im Cowboyschritt neben mir her. So geht er immer, wenn er die Windel voll hat. Allein dieser Anblick entschädigt einen für vieles. Ich schnappe mir die Papatasche und krame die Windelausrüstung heraus. Am liebsten würde ich diese Wechselaktion direkt neben Herrn Baumer über die Bühne bringen, aber Herr Baumer ist immer noch auf der Toilette. Ich hätte die Scarlett-Johansson-Fotostrecke wirklich herausreißen sollen.
    Ich breite mit geübten Handgriffen die Wickelunterlage auf dem Sofa aus, lege Daniel drauf und nähere mich mit angehaltenem Atem der Stinkzone. Die moderne Einwegwindel ist zum Glück ein hochgradig ausgereiftes Wunderwerk der Technik. Montage und Demontage gehen ruckzuck, sie ist fast komplett idiotensicher, sitzt bequem und lässt in aller Regel nichts, aber auch wirklich gar nichts nach draußen.
    Ich brauche keine Minute, um alles zu erledigen, und schicke Daniel wieder ins Getümmel. Beim Händewaschen dann der fürchterliche Schreck: Ich sehe in Tante Hildas übergroßem Badezimmerspiegel einen braunen Fleck auf meinem Hemd. Wie konnte das passieren? Ein Profi wie ich … Aber es ist nur Schokoladenkuchen. Während die niederen Abteilungen meines Gehirns noch damit beschäftigt sind, den spontanen Ekelalarm abzustellen, rätsele ich herum, was zu diesem Desaster geführt hat und komme zu keinem Ergebnis. Ich habe doch noch gar keinen Schokoladenkuchen angefasst?
    Egal, jetzt erst mal wieder gesellschaftsfähig werden. In meiner Papatasche ist wirklich alles drin: Essen, Trinken, Spielsachen, Windeln und natürlich kiloweise Daniel-Wechselklamotten. Aber natürlich kein Ersatzhemd für mich. Seis drum. Dann müssen eben warmes Wasser und Seife ran.
    Zehn Minuten später verlasse ich das Bad mit einem riesigen, nach Tante Hildas Macadamiaseife duftenden Wasserfleck auf dem Hemd. Eine zarte Braunschattierung ist geblieben. Hoffentlich sieht man das nicht auf den ersten Blick. Könnte falsche Assoziationen hervorrufen. Herr Baumer ist immer noch auf dem Klo. Wie lange kann ein Mann brauchen, um sein Sperma aufzuwischen? Aber mir soll es recht sein. Auf der Dachterrasse rast Klara mit dem Bobby-Car auf mich zu. Ich hüpfe in die Grätsche und biete ihr einen hübschen Tunnel zum Durchfahren an. Im Prinzip wäre sie auch gerne durchgefahren, aber eins von den Plastikwassertieren liegt im Weg, gerät