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Schiff der tausend Träume

Schiff der tausend Träume

Titel: Schiff der tausend Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leah Fleming
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Zuhause ist hier. Wie kannst du einsam sein, du bist doch nie zu Hause? Wie viele Reisen hast du in diesem Jahr unternommen? Die Hotelrechnungen kosten mich ein Vermögen. Die solltest du lieber einschränken.«
    »Ich nehme deine Mutter mit. Eine Luftveränderung macht ihr Spaß.«
    »Andere Läden, willst du wohl sagen. Auch Pa beklagt sich.«
    »Wir wollen nicht streiten, das beunruhigt Roddy. Wir dürfen ihm den Tag nicht verderben.«
    »Du verdirbst ihn doch, weil du ihn die ganze Zeit verwöhnst. Er hängt an dir wie ein Schoßhund.«
    »Er ist noch klein, und sie wachsen so schnell, Grover. Du kannst immer gern mitkommen.«
    »Jemand muss deine Extravaganzen ja zahlen«, sagte er und warf einen bezeichnenden Blick auf das antike, mit Saphiren und Perlen besetzte Armband, das er ihr gekauft hatte und das sie jetzt am Handgelenk trug.
    Der erste Weihnachtstag stellte sich als ebenso freudlos heraus wie jeder andere Tag. Wäre der mit Kugeln geschmückte Baum nicht gewesen, das Tannengrün über dem Kaminsims und die Karten, die für alle sichtbar im Raum verteilt waren, hätte es jeder beliebige Tag sein können.
    Wie konnte ich nur auf Grovers penetranten Charme und sein hübsches Gesicht bei seinem Besuch in London hereinfallen? Niemand hat mich gewarnt, auf das zu schauen, was hinter der Fassade liegt
. Sie war zu jung und unerfahren gewesen, um sich von seinen Versprechungen nicht hinreißen zu lassen. Ihre Eltern waren ebenso verzaubert von Grovers amerikanischer Selbstsicherheit und seinem guten Aussehen. Jetzt blickten seine Augen glasig und kalt, aufgrund seiner Trinkerei war er in der Taille auseinandergegangen, und seine Haut war rot, aber er hielt alle Macht in seinen Händen. Er bezahlte die Rechnungen und hielt das Geld zusammen.
    In seiner Welt waren Frauen nur schmückendes Beiwerk. Die Männer der Industrie hatten das Sagen, unterstützt von Heerscharen Bediensteter, die ihnen aufwarteten. Wenn sie ihn jemals verlassen würde, hätte sie nichts: kein Kind, kein Geld, nichts außer ihrem Stolz. Neuerdings beschlich sie das Gefühl, das könnte die bessere Alternative sein. Dann schaute sie den kleinen Roddy an und wusste, sie könnte ihn niemals dem Regime der Parkes überlassen. Sie dachte an die Mitglieder des Komitees, die Spenden sammelten. Wie viele von ihnen wachten am Morgen übel zugerichtet und gedemütigt auf? Manchmal fragte sie sich, ob es besser gewesen wäre, wenn sie in jener grauenvollen Nacht ertrunken wäre, doch ihre Gedanken kehrten immer wieder zu Roddy zurück. Er war der Grund, warum sie lebte und stark blieb. Irgendwie musste es vorangehen. Das Leben musste mehr zu bieten haben als dieses Dasein.
    »Komm, Roddy, wir packen uns warm ein und gehen Grandma und Grandpa auf der Auffahrt entgegen und lassen deinen Daddy in Ruhe arbeiten.«

37
    Die Straßen im März waren überfüllt mit Zuschauern, die auf die große Prozession warteten. In New York fand die prächtige Parade zum St. Patrick’s Day statt – eins der größten Feste in der Stadt. Familien standen in ihren grünen Kostümen auf den Bürgersteigen. In den staubigen Straßen wirbelten Tänzer zu den Klängen von Musikkapellen. Angelo schaute eine Zeitlang zu und roch den Duft nach gerösteten Kastanien und Popcorn.
    Salvi und Anna hatten ihren Bambino in einen grünen Schal gewickelt. Sie waren froh um den zusätzlichen Umsatz, den die Feiern ihnen einbrachten, aber Angelo war unglücklich.
    Ein weiterer Brief auf schwarz umrandetem Papier war von Marias Familie eingetroffen. Sie baten Angelo inständig, doch nach Hause ins
paese
zurückzukehren. Aber wie sollte er ihnen gegenübertreten – ein Mann, der seine Frau und sein kleines Kind unwissentlich in den Tod geführt hatte?
    Keinerlei Vorwurf klang in dem Brief an. Wer auch immer diese vorsichtige Schrift zu Papier gebracht haben mochte, hatte die Worte mitfühlend abgewogen.
    Er, der den alten Weg verlässt, um den neuen einzuschlagen, weiß, was er verliert, aber er weiß nie, was er finden wird. Gott hat es gefallen, Maria und Alessia zu sich zu nehmen. Steht es uns zu, nach dem Warum zu fragen? Pater Alberto sagt, das werden wir nur in der Ewigkeit herausfinden.
    Er hatte ihnen nichts von dem Schuh mit der Toskana-Spitze erzählt. Ihnen oder sich selbst Hoffnung zu machen, erschien ihm grausam. Nach Monaten der Nachforschung hatte sich niemand gemeldet, nur eine Frau, die glaubte, die beiden auf der
Titanic
im unteren Salon gesehen zu haben, wie sie nach

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