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Schiffsmeldungen

Titel: Schiffsmeldungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
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Lieferanten der Ölbohrinseln rausgeben. Hab’ gestern den Anruf gekriegt. Mich vor einem Jahr beworben. Ja, da gibt’s ’ne Warteliste. Die schöpfen nur den Rahm ab. Kannst wetten, daß ich froh bin wegzukommen. Wenn ich richtig pokere, komm’ ich vielleicht in die Staaten, nach Texas in die Zentrale. Obwohl ich eigentlich nach Florida will. Ich werd’ an dich denken, Quoyle, mich fragen, ob du noch hier oben bist. Also, ich fahr’ am Neujahrstag. Ich wette, du bist der nächste, der geht. Du gehst zurück in die Staaten. Jack und Billy werden den Gammy Bird selber rausbringen müssen. Wenn sie’s können.«
    »Wie wird’s deiner Frau in der Stadt gefallen?«
    »Meine Frau! Die kommt nich’ mit runter. Die bleibt hier, daheim. Bleibt daheim, wo sie hingehört. Ihre ganze Familie lebt hier. Die bleibt hier. Eine Frau bleibt daheim. Die bleibt hier.« Empört über den Gedanken, daß es anders sein könnte. Aber als er nach weiteren Drinks winkte, stand Quoyle auf, sagte, er müsse los zu seinen Kindern. Ein Abschiedshieb von Tert Card.
    »Weißt du, Jack will, daß Billy meinen Job übernimmt. Dich werden sie wahrscheinlich auf die Frauensachen ansetzen, Quoyle, und einen neuen Mann anstellen für die Schiffsmeldungen und Unfälle. Ich glaube, deine Tage sind gezählt.« Und seine Hand wanderte unter sein Hemd und kratzte.
     
    Überrascht nahm Quoyle eine fieberhafte Aufregung wahr, die mit den Dezemberstürmen daherfegte, als würde die von Wind und Wellen entfesselte dämonische Energie auf die Menschen an der Küste übergreifen. Wohin er ging, überall Sägen und Raspeln, Stricknadelgeklapper, große runde Kuchen, die sich voll Brandy sogen, auf Wäscheklammerpuppen gemalte Gesichter, ausgestopfte Katzen aus alten Socken.
    Bunny erzählte von der Aufführung in der Schule. Sie machte etwas zusammen mit Marty. Quoyle wappnete sich für eine Stunde auswendig gelernter Weihnachtsgedichte. Mochte Weihnachten nicht. Dachte an das eine Mal, als sein Bruder das Geschenkpapier von einem ganzen Satz Matchboxautos riß, winzige, komplizierte Fahrzeuge in wunderbaren Farben. Er mußte auch ein Spielzeug bekommen haben, erinnerte sich aber nur noch an die flachen, weichen Päckchen, die Schlafanzüge enthielten, oder die braunen und blauen Strickhemden, die seine Mutter kaufte. »Du wächst so schnell«, klagte sie ihn an. Ihre Augen wanderten zu dem normal wachsenden Bruder, der seinen Alfa Romeo in den roten Doppeldecker rasen ließ.
    Er war noch immer nicht darüber hinweg und störte sich an den marktschreierischen Radiostimmen, die Einkaufstage abzählten, die Zuhörer aufforderten, sich in Schulden zu stürzen. Mochte aber den Geruch von Tannenbäumen. Und mußte zu der Schulaufführung.
     
    Der Zuschauerraum war gerammelt voll. Ein Rauschen bester Kleider, alte Männer in nach Kampfer stinkenden schwarzen Jacketts, die unter den Achseln kniffen, Frauen in Seide und feiner Wolle in den Farben Kamel, Zinnober, Cayenne, Bronze, Persimone, Immergrün, Aztekenrot. Importierte italienische Pumps. Die Haare gewellt und gelockt, zu steifen Wolken gesprayt. Lippenstift. Rote Kringel aus Rouge. Die Männer mit rasierten Wangen. Krawatten wie Geschenkpapier, Kinder in Bonbonrosa und Creme. Der Hauch parfümierter Körper, ein Gebrumm wie von Bienen über einem Mohn-feld.
    Quoyle, der Sunshine trug, konnte Wavey nirgends sehen. Sie nahmen neben Dennis Platz, der allein in der dritten Reihe saß. Beety, dachte Quoyle, half vermutlich in der Küche. Erkannte den alten Barmann aus dem Heavy Weather vor sich, ein paar Säufer von den Lagerhäusern am Kai, deren dunkles Haar jetzt angefeuchtet und gekämmt war, die Gesichter aufgedunsen vom Trinken und der Erregung, unter Leuten zu sein. Eine Reihe unverheirateter Fischer, die darauf warteten, von Jobs in der Ferne zu erfahren. Die gerissenen Jungs. Ganze Wagenladungen voll Clans und entfernten Verwandten, die sich auf Klappstühle zwängten. Sunshine stellte sich auf ihren Stuhl und machte ein Spiel daraus, Leuten zu winken, die sie nicht kannte. Wavey und Herry konnte er nicht ausmachen. Ein Geruch nach Gesichtspuder. Sie hatte gesagt, sie würde da sein. Er suchte weiter.
    In ihrem braunen Kostüm kam die Direktorin auf die Bühne, ein Scheinwerfer flackerte über ihre Füße, und der Kinderchor setzte ein. Schrille, reine Stimmen überfluteten die Zuhörer.
    Es war anders, als er gedacht hatte. Ja, Kinder lispelten komische oder religiöse Gedichte und bekamen

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