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Schiffstagebuch

Schiffstagebuch

Titel: Schiffstagebuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cees Nooteboom
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schwerer anfühlt, als es aussieht. Was sich darin befindet, weiß er nicht, nur, daß es wichtig ist. Als
     Adressat ist die Commonwealth Bank in Melbourne angegeben. Er weiß auch, daß er das Päckchen, komme, was da wolle, bei sich in Verwahrung behalten muß,
     bis sich im sicheren Australien jemand bei ihm meldet, um es in Empfang zu nehmen. An Bord befinden sich zwölf Personen, ein paar Militärs, die
     Besatzung. Sie können nicht sitzen, es gibt keinen Platz, alles kauert auf dem Boden, lediglich die einzige Frau, Maria van Tuyn – sie ist die Frau eines
     anderen Piloten –, hat mit ihrem noch nicht einmal einjährigen Baby einen Sitzplatz. Wir sind so gewöhnt an Australien als Land für sich, daß man kurz zusammenzuckt, wenn man auf der Karte Südostasiens sieht, wie nahe beieinander Länder liegen können, die die Geschichte anscheinend viel weiter auseinander plaziert hat. Will man wissen, wie sich das anfühlt, muß man nur die drei Stunden von Bali nach Perth fliegen. Man kommt nicht auf einen anderen Kontinent, sondern auf einen anderen Planeten.
    Iwan Smirnow, Ritter der Lüfte aus dem Ersten Weltkrieg
    Ziel der DC-3 ist Broome, in ungefähr sieben Stunden muß Smirnow die Strecke bewältigt haben. Als sie sich der australischen Küste nähern, erfragt Bordfunker Muller die Landungsinstruktionen. Die Antwort, die er erhält, ist mehrdeutig, es klingt nach: Sie können jetzt landen, doch der Zweifel, der darin mitschwingt, hat auch etwas von: Feind hört mit, und im selben Moment wird der Feind schon sichtbar, zunächst in Gestalt von Punkten, die aber rasch groß genug werden, um sie als japanischeZeros zu erkennen, die unverzüglich zum Angriff übergehen.
    Dies ist Smirnows erster Luftkampf seit über zwanzig Jahren, aber seine DC-3 ist kein Kampfflugzeug, und es sind drei gegen einen. Seine drei Gegner sind Leutnant Zenziro Miyano, Sergeant Takashi Kurano und Flieger Zempei Matsumoto. Kommandant Miyano erteilt den beiden anderen den Befehl zum Angriff. Smirnow versucht, mit allen erdenklichen Manövern, die er in jenem anderen, so lange zurückliegenden Krieg gelernt hat – Abtauchen, Wenden, Hochziehen –, den beiden Jägern zu entkommen, doch gegen die viel wendigeren Japaner hat er nicht die geringste Chance. Ein Motor steht lichterloh in Flammen, Smirnow hat Passagiere an Bord, ist mehrfach verwundet und schafft es dennoch, die Maschine am Strand der Carnot Bay auf den Boden zu bekommen. Auf dem alten Foto, das ich später sehe, liegt die PK-AFV da wie ein gestrandetes Tier, der Aufschlag muß gewaltig gewesen sein, vom Fahrwerk ist nichts mehr übrig, die kleinen viereckigen Fenster sind aschfarben und schwarz, die Maschine ist ausgebrannt.
    Über diese Minuten habe ich verschiedene Berichte gelesen. Die Landung war ein Meisterstück. Smirnow steuerte seine getroffene Maschine so in die Brandung, daß das Feuer im linken Motor sofort erlosch. Jetzt mußten alle das Flugzeug verlassen. Es ging um Sekunden, bis die Zeros wieder zurückkehren würden. Der Bericht in einem der Bücher, die ich darüber las, Flight of Diamonds von W. H. Tyler, läßt sich ohne weiteres in Filmbilder umsetzen. Einige der Männer an Bord kriechen aus dem Flugzeug und waten durchs Wasser, das sie in gewisser Weise auch schützt, weil sie in ihm untertauchen können. Als BordmechanikerBlaauw es jedoch versucht, wird er an beiden Knien getroffen. Smirnow stellt fest, daß seine eigenen Schußverletzungen nicht mehr bluten, die Gefahr des Verblutens ist also gebannt. Daß eine Kugel seinen Oberschenkel durchschlagen hat, merkt er erst später. Nach jedem Sturzflug der Japaner haben sie einen Moment Zeit für den Versuch, die anderen aus der Maschine zu retten, bis der Feind schließlich keine Munition mehr hat. Maria van Tuyn ist schwer verletzt, sie wird später sterben, genau wie ihr Baby. Bordfunker Muller klettert zurück in die Maschine, um seinen drahtlosen Sender zu holen, und versucht, zu dem sechzig Kilometer entfernten Flugplatz in Broome Kontakt aufzunehmen, was aber nicht gelingt. Jetzt, da die Zeros abgedreht sind, gibt es nur noch das Geräusch der Brandung, das Wimmern der Verwundeten und die Hitze, die immer schwerer auf ihnen lastet.
    Die Flut kommt, die zerborstene Maschine wird hochgehoben, bewegt sich mit den Wellen auf und ab. Als einer der KNILM-Angehörigen auf Befehl Smirnows
     versucht, an Bord zu gelangen, um die Papiere, die Post und das braune Päckchen zu bergen, wird er von einer

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