Schlangenblut (German Edition)
unwillkürlich mit den Schultern, bevor sie an das Metallstück in ihrem Rücken denken konnte. Der Schmerz kam so heftig, dass sie nach Luft rang. Sie atmete stoßweise aus wie damals, als sie Megan zur Welt gebracht hatte.
»Soll ich die Schwester holen?«, fragte Nick.
»Nein, es geht schon. Aber was ist jetzt mit Megan? Sind die Untersuchungsergebnisse schon da?«
»Sie ist schon nicht mehr so blass und hat kein Fieber mehr, aber die Ärzte haben sich noch nicht wieder blicken lassen.« Er sah über ihre Schulter, und sie wusste, dass er zurück zu Megan wollte. Sie beobachten, warten. Nick konnte das gut.
Anders als sie selbst.
»Sag ihnen, sie sollen mich anrufen, sobald sie Näheres wissen.« Scheiße, sie hatte bei dem Brand ihr Handy verloren. Verdammt, verdammt, verdammt. Lief an diesem Wochenende eigentlich alles schief? Sie musste mit Megans Ärzten sprechen, sie musste bei ihrer Tochter sein, sie musste Ashley finden, sie musste Fletcher kriegen … und nun lag sie hier halbnackt auf einer Bahre und fror sich den Arsch ab. »Mein Handy ist weg, aber ich besorge mir ein neues, sobald ich wieder im Büro bin.«
»Du gehst nicht wieder zur Arbeit«, widersprach Nick.
»Ich muss –«
»Nein, musst du nicht. Denk an deine Tochter, Lucy.«
Ein Schlag unter die Gürtellinie. Vollkommen untypisch für ihn. »Nick –«
»Okay, dann denk eben an dein Team. An dieses Mädchen. Ashley. Wie willst du dich auf das alles konzentrieren, wenn du total erschöpft bist und dir Sorgen um Megan machst? Du sagst doch selbst immer, ein abgelenkter Kriminalist ist ein gefährlicher Kriminalist.«
Sie blinzelte heftig und schnell und senkte das Gesicht, damit er ihre Tränen nicht sah. Sie schaffte das nicht, nicht jetzt. »Gib Megan einen Kuss von mir. Ich komme heute Abend, versprochen.«
»Du hast es ihr versprochen, Lucy, nicht mir«, betonte Nick, und in der Stimme lag eine Wut, die so gar nicht zu ihm passen wollte. »Wage es bloß nicht, sie zu enttäuschen.«
»Ich weiß. Ich weiß. Ich werde da sein.« Sie blickte wieder auf. »Ich liebe dich.«
Er seufzte und drückte ihre Hand, ließ sie dann aber wieder fallen, als sich schwere Schritte von hinten näherten.
»Hey, Guardino, hat Ihnen niemand beigebracht, wann es besser ist, den Kopf einzuziehen?«, fragte Burroughs.
»Ich liebe dich auch.« Nick küsste sie auf die Stirn und stand auf. »Ich gehe jetzt besser wieder zu Megan.«
Und dann verschwand er.
»Alles klar, Boss?«, fragte Walden und trat ans Kopfende des Betts.
Lucy drehte den Kopf zur Seite und wischte sich ihre Tränen am Laken ab. »Alles klar. Sie sehen sich gerade das Röntgenbild an. Gibt’s was Neues von Fletcher?«
»Leider wie vom Erdboden verschluckt«, verneinte Burroughs.
»Wird ein Weilchen dauern, bis wir aus dem Haus Verwertbares bekommen, aber die Brandermittler arbeiten schon dran.«
»Gut. Er benutzt bestimmt ein Auto, und das haben wir irgendwann auf unserem Radar. Und wenn er Ashley nicht in seinem Haus gefangen gehalten hat –«
Sie hielt inne. In ihrem Kopf breitete sich plötzlich Eiseskälte aus, als ihr klarwurde, dass sie nur annehmen konnte, dass Ashley nicht in dem Haus gewesen war.
»Bislang wurden im Schutt keine menschlichen Überreste gefunden«, beruhigte Walden sie.
»Okay.« Sie schluckte und verdrängte die Angst, dass es womöglich schon zu spät war, Ashley zu retten. »Also gut. Ich brauche alles, was über Fletcher in Erfahrung zu bringen ist, seine gesamte Personalakte. Er hat das von langer Hand geplant, und jetzt müssen wir zusehen, dass wir mit ihm gleichziehen.«
»Die Einwanderung kooperiert, das hat der Chef erreicht. Aber leider haben sich die Medien schon auf die Sache gestürzt.«
»Scheiße.« Sie riss den Kopf hoch und ignorierte den Schmerz, der sich in ihren Rücken krallte. Dann atmete sie erst einmal so tief durch, wie sie konnte. »Besorgt mir ein neues Handy, mit meiner alten Nummer und mit Fangschaltung. Fletcher hat mich schon mal angerufen und wird es wieder versuchen.«
»Wozu? Er hat doch Ashley und ist erst mal in Sicherheit«, wandte Burroughs ein. »Warum sollte er das Risiko eingehen, Sie noch einmal anzurufen?«
»Weil er der Maestro ist, der Herr über das Spiel. Er hat zwar seine Trophäe schon, will aber noch ein bisschen weiterspielen. Mit mir.«
***
Sie sprachen ihre Strategie ab. Lucys Kopf schmerzte von der Anstrengung, ihn die ganze Zeit hochzuhalten, aber Walden schien instinktiv zu verstehen.
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