Schlankheitswahn (Ein Fall für Lizzy Gardner) (German Edition)
oder?«
»Jetzt schon, wo wir sicher in unserem Fluchtauto sitzen.«
»Zieh mich nie wieder in so was rein«, sagte Hayley. »Zumindest nicht, wenn du dabei bist. Das nächste Mal mach ich’s alleine. Ich weiß nicht, was ich mir dabei gedacht habe, dir zu zeigen, wie man illegale Aktionen durchführt. Gutmenschen wie du und Jessica taugen nicht für so was.«
»Gutmenschen?«
»Ich hab jetzt keine Lust, mit dir zu reden.«
Lizzy hätte am liebsten gelacht, um ihre Nervosität abzubauen, aber es war nicht der passende Augenblick dafür. Sie war froh, dass sie das Ganze hinter sich hatte. Bei dem Gedanken, ihr Ziel erreicht zu haben, verspürte sie sogar Euphorie. »Die Nachbarin war nett«, sagte sie. »Sie hat sich einfach nur Sorgen um Vivian gemacht. Sie dachte, ich wäre Vivians Mutter, und da hab ich sie halt in dem Glauben gelassen.«
Hayley schwieg.
»Du hast recht«, sagte Lizzy. »Ich hab dich in eine illegale und noch dazu unmoralische Sache hineingezogen und hab mich nicht an deine Anweisungen gehalten. Ich hätte uns beide in große Schwierigkeiten bringen können. Es tut mir echt leid.«
Ein Polizeiwagen näherte sich auf der Überholspur. Lizzy bemerkte, dass Hayley den Atem anhielt, als das Fahrzeug an ihnen vorbeifuhr.
»Eigentlich bin ich diejenige, die sich entschuldigen muss«, sagte Hayley, nachdem der Polizeiwagen rechts abgebogen und verschwunden war. »Ich hab letzte Woche meine Mutter besucht.«
Das erklärte, warum Hayley in letzter Zeit so schlecht gelaunt war. »Wie geht es ihr?«
Hayley antwortete nicht sofort und Lizzy drängte sie nicht.
»Wie immer«, sagte Hayley schließlich mit angespannter Stimme. »Ganz genauso wie sonst auch. Sie haust im Dreck und will nichts an sich ändern.«
Lizzy hörte schweigend zu.
Hayley atmete heftig aus und starrte geradeaus auf die Straße. »Ich hab ihr angeboten, mit ihr zu einer Selbsthilfegruppe für Drogensüchtige zu gehen, aber sie hat nur gesagt, sie könne das nicht. Sie meinte, sie wäre zu schwach dazu, und dass ich die Stärkere von uns beiden sei.«
»Stärker als die meisten bist du schon«, stimmte Lizzy zu.
»Ich bin längst nicht so stark, wie ich nach außen hin tue«, sagte Hayley. »Ich liege nachts wach im Bett und fantasiere darüber, mich an sämtlichen perversen Ungeheuern der Welt zu rächen. Ich bin nicht richtig im Kopf, Lizzy. Ich weiß nicht, was in mir vorgeht, aber es ist auf jeden Fall nicht gut. Ich habe schlimme Gedanken, und manchmal kommt es mir vor, als ob ich daran ersticke. Ich weiß nicht, ob ich das Böse so gut überwinden kann wie du damals.«
»Hayley, du hast doch erst vor Kurzem damit begonnen, dich aus dem Albtraum zu befreien, der dein bisheriges Leben war. Du musst weiterkämpfen. Zum Aufgeben ist es viel zu früh.«
Lizzy machte eine Pause und fuhr dann fort: »Ich habe heute noch Albträume. Der Spinnenmann ist zwar tot, aber auch wieder nicht. Er spukt immer noch in meinem Kopf herum, aber ich werde nicht eher ruhen, bis er verschwunden ist. Ich möchte vor allem meinen Frieden. Und ich will, dass auch du deinen Frieden findest. Und auch Leute wie Ruth Fullerton. Wir schleppen alle unsere Dämonen mit uns herum. Manchmal glaube ich sogar, dass es nicht so sehr darum geht, sie loszuwerden, als vielmehr, mit ihnen zu leben.«
Jessica sah auf die Uhr. Sie saß jetzt schon seit fast viereinhalb Stunden hinter dem Steuer und hatte kein einziges Mal angehalten. Sie musste dringend pinkeln. Seit einer halben Stunde rutschte sie unruhig auf dem Sitz hin und her. Sie konnte unmöglich anhalten, da sie Ellen auf gar keinen Fall aus den Augen verlieren durfte. Wenn ihr das passierte, wäre der ganze Tag nichts als Zeitverschwendung gewesen.
Just in dem Moment, als Jessica daran dachte, einfach in die Hose zu machen, leuchtete bei Ellens Auto der linke Blinker auf.
Gott sei Dank.
Ein paar Kilometer zuvor waren sie auf die Route 58 nach Osten abgebogen. Jetzt, wo sie sich auf einer wenig befahrenen Straße befanden, war es dunkel und Jessica konnte die Straßenschilder nicht sehen.
Ellen fuhr jetzt schneller. Wahrscheinlich musste sie ebenfalls pinkeln.
Jessica versuchte sich zu merken, wo sie abbog, gab es aber bald auf. Sobald sie irgendwo anhielten, würde sie sich die nächstgelegene Adresse notieren.
Nach etwa dreizehn Kilometern bog Ellen auf eine lange Schotterstraße. Das Straßenschild war groß genug, dass Jessica die Aufschrift lesen konnte: Livingston Farms. Jessica folgte
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