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Schlink,Bernhard

Schlink,Bernhard

Titel: Schlink,Bernhard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sommerlügen
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tun hat? Ich will der Frau
nichts schulden, und wenn ich mit ihr schliefe, würde ich ihr was schulden. Ich
habe in meinem ganzen Leben nur mit Frauen geschlafen, die ich geliebt oder in
die ich mich immerhin verliebt hatte. Ich liebe Therese nicht und bin auch
nicht verliebt in sie. Es konnte schön mit ihr sein, auf eine Weise leicht,
anspruchslos, entspannt, auf die es zwischen uns fast nie leicht ist. Aber ich
habe mich nie gefragt, ob's das wäre und ob ich dich verlassen und mit ihr
leben wollte.
    Das
ist das eine, was ich dir sagen wollte. Das andere ist, dass es...«
    Sie
unterbrach ihn. »Was habt ihr am nächsten Tag gemacht?«
    »Wir
waren in Baden-Baden in der Kunsthalle, bei einem Winzer und in Heidelberg auf
dem Schloss.«
    »Warum
hast du sie von hier aus angerufen?«
    »Wie
kommst du...« Ihm fiel ein, dass er ebenso angesetzt hatte, als sie ihn nach
der Reise mit Therese gefragt hatte, und ebenso wurde er unterbrochen.
    »Ich
habe es auf deinem Telefon gesehen. Du hast sie vor drei Tagen angerufen.«
    »Sie
hatte eine Biopsie wegen Verdachts auf Brustkrebs, und ich habe sie gefragt,
wie es war.«
    »Ihre
Brüste...« Sie sagte es, als schüttele sie den Kopf. »Weiß sie, dass du mit mir
hier bist? Weiß sie überhaupt, dass wir zusammen sind? Seit sieben Jahren? Was
weiß sie von mir?«
    Er
hatte Anne vor Therese nicht verschwiegen, aber das Nähere im Ungefähren
gelassen. Wenn er zu ihr fuhr, fuhr er nach Amsterdam oder London oder Toronto
oder Wellington, um dort zu schreiben. Er erwähnte, dass er Anne dort traf,
und schloss nicht aus, dass er dort mit ihr lebte, stellte es aber auch nicht
klar. Er redete mit Therese nicht über die Schwierigkeiten, die er mit Anne
hatte, und sagte sich, das wäre Verrat. Er redete aber auch nicht über das
Glück mit Anne. Er sagte Therese, dass er sie, so gerne er sie habe, nicht
liebe, aber er sagte ihr nicht, dass er Anne liebte. Umgekehrt hatte er auch
Therese nicht vor Anne verschwiegen. Allerdings hatte er ihr auch nicht
gesagt, wie oft er sie sah.
    Richtig
war das nicht, er wusste es und fühlte sich manchmal wie ein Bigamist, der die
eine Familie in Hamburg und die andere in München hat. Wie ein Bigamist? Das
war denn doch zu streng. Er präsentierte niemandem ein falsches Bild. Er
präsentierte Skizzen statt Bilder, und Skizzen sind nicht falsch, weil sie
bloße Skizzen sind. Zum Glück hatte er Therese gesagt, dass auch Anne in der
Provence sein würde. »Sie weiß, dass wir seit Jahren zusammen sind und dass wir
zusammen hier sind. Was sie sonst weiß - ich rede mit Freunden und Bekannten
nicht viel über dich.«

Anne
entgegnete nichts. Er wusste nicht, ob das ein gutes oder ein schlechtes
Zeichen war, aber nach einer Weile ließ seine Spannung nach. Er merkte, wie
müde er war. Er kämpfte, um wach zu bleiben und zu hören, was Anne noch sagen
mochte. Ihm fielen die Augen zu, und zuerst dachte er, er könne auch mit
geschlossenen Augen wach bleiben, dann merkte er, dass er einschlief, nein,
dass er schon eingeschlafen und wieder aufgewacht war. Was hatte ihn geweckt?
Hatte Anne etwas gesagt? Er stützte sich wieder auf; sie lag mit offenen Augen
neben ihm, sah ihn aber wieder nicht an. Der Mond schien nicht mehr ins Zimmer.
    Dann
redete sie. Draußen graute schon der Tag, er war also doch eingeschlafen. »Ich
weiß nicht, ob ich, was geschehen ist, wegstecken kann. Aber ich weiß, dass
ich es nicht wegstecken kann, wenn du mir weiter vormachen willst, da sei
nichts gewesen. Es sieht aus wie eine Ente, es quakt wie eine Ente, und du
willst mir weismachen, es sei ein Schwan? Ich hab deine Lügen satt, ich hab sie
satt, ich hab sie satt. Wenn ich bei dir bleiben soll, dann nur in der
Wahrheit.« Sie schlug die Bettdecke zurück und stand auf. »Ich halte es für das
Beste, wenn wir uns erst heute Abend wiedersehen. Ich würde das Zimmer und
Cucuron gerne für mich haben. Nimm das Auto, und fahr weg.«
     
    9
     
    Als
sie im Badezimmer war, zog er sich an und ging. Die Luft war noch kühl, die
Straßen waren noch leer, nicht einmal der Bäcker und das Cafe hatten auf. Er
setzte sich ins Auto und fuhr los.
    Er
fuhr zu den Bergen des Luberon und nahm an den Gabelungen und Kreuzungen
einfach die Straße, die höher in die Berge zu führen versprach. Als es nicht
höher ging, stellte er das Auto ab und folgte eingefahrenen, zugewachsenen
Wagenspuren über die Höhe und entlang dem Hang.
    Warum
sagte er nicht einfach, er habe mit Therese geschlafen? Was

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