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Schlink,Bernhard

Schlink,Bernhard

Titel: Schlink,Bernhard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sommerlügen
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sich ums Putzen und
Waschen und Kochen kümmerte. Sie tat es so diskret, dass Richard ihr erst nach
einigen Tagen begegnete.
    Eines
Abends luden sie Linda und John zum Essen ein. Susan und Richard kochten,
hatten keine Ahnung vom Kochen und taten sich schon schwer, das Kochbuch zu
lesen. Aber sie brachten schließlich Steaks mit Kartoffeln und Salat auf den
Tisch und hatten das gute Gefühl, gemeinsam Krisen bestehen zu können. Sonst
luden sie niemanden ein und besuchten niemanden. »Für unsere Freunde ist immer
noch Zeit.«
    Wenn
die Dämmerung einsetzte, liebten sie sich. Ihnen genügte das Licht des Abends,
bis es völlig dunkel war und sie eine Kerze anzündeten. Sie liebten sich so
ruhig, dass Richard sich manchmal fragte, ob er Susan glücklicher machen
würde, wenn er ihr und sich die Kleider vom Leib risse, über sie herfiele und
sich ihr auslieferte. Er schaffte es nicht, und sie schien es nicht zu
vermissen. Wir sind keine Wildkatzen, dachte er, wir sind Hauskatzen.
    Bis
zu ihrem großen Streit, dem ersten und einzigen, den sie hatten. Sie wollten
zum Supermarkt fahren, und Susan ließ Richard im Auto warten, weil sie
plötzlich ans Telefon musste und am Telefon kein Ende fand. Dass sie ihn ohne
Erklärung warten ließ, dass sie ihn vergessen hatte oder einfach
vernachlässigen konnte, machte ihn so wütend, dass er ausstieg, ins Haus ging
und sie anfuhr, als sie gerade den Hörer auf die Gabel legte. »Ist das, was
ich zu erwarten habe? Was du machst, ist wichtig, und was ich mache, nicht?
Deine Zeit ist kostbar, meine nicht?«
    Sie
verstand ihn zunächst nicht. »Los Angeles hat angerufen. Der Vorstand...«
    »Warum
hast du das nicht gesagt? Warum hast du mich ewig...«
    »Tut
mir leid, dass ich dich ein paar Minuten habe warten lassen. Ich dachte, ein
europäischer Mann sieht einer Frau ...«
    »Die
Europäer - ich kann's nicht mehr hören. Ich habe draußen eine halbe Stunde ...«
    Jetzt
wurde auch sie wütend. »Eine halbe Stunde? Ein paar Minuten waren es. Wenn sie
dir zu lange werden, geh ins Haus, und lies die Zeitung. Du Primadonna, du ...«
    »Primadonna?
Ich? Wer von uns ...«
    Sie
warf ihm unverständliches, übertriebenes Getue vor. Er verstand nicht, was
unverständlich und übertrieben daran sein sollte, dass er ebenso zählen wollte
wie sie, er, der nichts hatte, wie sie, die alles hatte. Sie verstand nicht,
dass er auf den abwegigen Gedanken kommen konnte, er zähle nicht. Schließlich
schrien sie einander an, wütend, verzweifelt.
    »Ich
hasse dich!« Sie trat zu ihm, er wich zurück, sie blieb an ihm, und als er an
der Wand stand und nicht weiterkonnte, schlug sie ihm mit den Fäusten auf die
Brust, bis er sie in die Arme nahm und an sich drückte. Zuerst nestelte sie an
den Knöpfen seines Hemds, dann riss sie es auf, er versuchte, ihr die Jeans
auszuziehen, und sie ihm, aber es war zu mühsam und ging zu langsam, und so
machten sie es selbst und zogen in einem Schwung Jeans und Unterhosen und
Socken aus. Sie liebten sich auf dem Boden im Flur, hastig, drängend,
leidenschaftlich.
    Danach
lag er auf dem Rücken und sie halb in seinem Arm, halb auf seiner Brust. »Also
doch«, sagte er und lachte fröhlich. Sie machte eine kleine Bewegung, ein
Kopfschütteln, ein Schulterzucken, und schmiegte sich enger an ihn. Er spürte,
dass sie, anders als ihn, nicht die Leidenschaft des Streitens in die
Leidenschaft des Liebens getragen hatte. Sie hatte sein Hemd nicht aufgerissen,
weil sie seine Brust fühlen, sondern weil sie sein Herz finden wollte. Ihre
Leidenschaft hatte der Rückkehr zur Ruhe gegolten, die sie im Streit verloren
hatten.
    Sie
fuhren zum Supermarkt, und Susan füllte den Einkaufswagen, als blieben sie
noch Wochen. Auf der Heimfahrt brach die Sonne durch die Wolken, und sie
nahmen die nächste Straße ans Meer, nicht ans offene Meer, sondern an die Bay. Das Wasser war glatt und die Luft klar; sie sahen die Spitze
des Cape und die andere Seite der Bay.
    »Ich
mag es, wenn vor dem Gewitter die Sicht so weit ist und die Konturen so scharf
sind.«
    »Gewitter?«
    »Ja.
Ich weiß nicht, ob die Feuchtigkeit oder die Elektrizität die Luft so klar
macht, aber es ist die Luft vor dem Ge witter. Eine
trügerische Luft; sie verspricht dir gutes Wetter, und was sie bringt, ist ein
Gewitter.«
    »Bitte
entschuldige, dass ich dich vorhin angefahren habe. Nicht nur angefahren, ich
habe dich angeschrien. Es tut mir aufrichtig leid.«
    Er
wartete, dass sie etwas sagte. Dann sah er, dass sie

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