Schlossblick: Kollers fünfter Fall (German Edition)
halb tadelnd, halb geschmeichelt zurück.
»Nun lassen Sie mir doch die Freude, Frau Kaiser! Machen Sie sich einen
Feierabendkaffee und genießen Sie die paar Häppchen. Du auch, mein Schätzchen!«
Letzteres war auf Gizem gemünzt, die ein knappes Lächeln zustande brachte, während
sie das Mitbringsel entgegennahm. »Und Sie ebenfalls, Herr Koller. Mit wem soll
ich meine gute Laune denn sonst teilen?«
»Das ist lieb von Ihnen«, nickte die Kaiser. »Vielen Dank!«
»Lassen Sie es sich schmecken. Und bis in zwei Wochen!« Fort war sie.
»Die reine Sünde«, murmelte die Frisörin, an der Schachtel schnuppernd.
»Aber sie meint es ja so gut.«
»Wer war das?«, fragte ich verdattert. »Und woher kennt mich die Frau?«
»Sie hat Ihr Buch gelesen«, lautete die Antwort, als sei dies eine
Selbstverständlichkeit. »Kaum waren Sie heute Morgen gegangen, fragte mich Frau
Rainer nach Ihrem Namen.«
»Moment!« Mir ging ein Licht auf. »War das die Dicke … also, die kräftige
Dame, der Sie die Haare geschnitten haben, als ich im Laden war?«
»Geschnitten und blondiert. Haben Sie sie etwa nicht erkannt?«
»Hören Sie auf! Das war eine total andere Frau!«
»In gewisser Weise, ja.«
»Die hier war viel schlanker. Sie bewegte sich auch völlig anders!«
Frau Kaiser schmunzelte zufrieden. »Da sehen Sie mal, wozu eine neue
Frisur gut ist.«
Ich fuhr mir mit derart verzweifeltem Gesichtsausdruck über meine Stoppelhaare,
dass sich sogar Gizem ein Lächeln abrang.
»Tut mir leid«, sagte sie. »Solche Wunderdinge können Sie von mir nicht
erwarten. Ich bin bloß Azubi.«
»Ja, aber im Kuchenverdrücken schon Meisterin«, rief ihre Chefin, die
Schachtel öffnend. »Immer schnappt sie mir die besten Stücke weg. Und das bei der
Figur! Da, schauen Sie mal: Stachelbeer-Baiser! Und Sahne über Sahne – himmlisch!«
Düpiert sah ich zu, wie die Kaiser und Gizem unter
Ah und Oh ein Tortenstück nach dem anderen aus der Schachtel ans Tageslicht beförderten.
Acht Riesenteile zählte ich am Ende; da konnte ich mit meinen zweieinhalb Rosinenbobbes
glatt einpacken.
»So ist sie, die gute Frau Rainer«, trällerte die
Frisörin. »Na, dann mache ich uns mal den Kaffee. Nein, du bleibst sitzen, Kleine.
Schließlich ist Herr Koller wegen dir hier.«
Mit dieser Bemerkung war Gizems kurzer Ausflug
ins Land des Lächelns auch schon beendet. Sie legte die Hände in den Schoß und harrte
schweigend meiner Fragen. Delinquentenhaltung. Ich schwieg jedoch ebenfalls, in
Gedanken noch bei dem mausgrauen Trumm von heute morgen, das sich in die beschwingte
Blonde von eben verwandelt hatte. Von der Stachelbeere zum Baiser sozusagen.
Schließlich räusperte sich das Mädchen. »Wer weiß
denn noch von Thorsten und mir?«, fragte sie vorsichtig. »Außer Ihnen, meine ich.«
»Was?« Ich war wirklich noch woanders. Frisuren machen Leute – gab
es nicht einen Schulbuchklassiker dieses Titels?
»Wer außer Ihnen von unserer Beziehung weiß.«
»Niemand.«
»Sind Sie sicher?«
Auf der Suche nach einer neuen Sitzposition rutschte
ich hin und her. »Ich würde dich gern duzen, Gizem. Ist das okay? Ich bin Max.«
Und als sie nickte, fuhr ich fort: »Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Wenn
du es nicht zu vielen oder den falschen Leuten erzählt hast, wird es keiner erfahren.
Ich kam auch nur durch Zufall auf dich.«
»Wie denn? Haben Sie … hast du uns beobachtet?«
»Nein, wo denkst du hin! Ich habe Schallmos Handy gefunden.«
Erst mit Verzögerung wurde ihr klar, was das hieß. Sie wurde blass,
so blass, wie man unter bronzefarbener Haut nur werden kann. Dann schlug sie beide
Hände vor den Mund.
»Langsam, langsam«, winkte ich ab. »Ich habe die SMS gelesen, die du
ihm am Dienstag geschrieben hast. Es gab zwei Anrufe aus dem Frisörladen, das war
dann aber auch schon alles. Ich hatte nicht einmal deinen Namen. Und als ich deine
Handynummer wählte, meldete sich dein Vater. Es war gar nicht so einfach, dich zu
finden.«
Frau Kaiser kam zurück und setzte sich zu uns. »Der Kaffee ist gleich
fertig. Alles in Ordnung, Kleine?«
Gizem nickte. In ihren Augen schimmerte es. »Sie haben es mir weggenommen«,
sagte sie. »Das Handy. Sie wussten ja, wen ich da dauernd anrief.«
»Das wussten sie?«, fragte ich. »Woher?«
»Fikret hat es herausgekriegt. Das mit Thorsten und mir.«
»Bist du sicher?«
Wieder nickte sie.
»Diese kleine Hornisse«, warf die Frisörin ein, und ich nehme an, sie
meinte Fikret. »Mädchen, du
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