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Schlüsselfertig: Roman (German Edition)

Schlüsselfertig: Roman (German Edition)

Titel: Schlüsselfertig: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Rick
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Abba-Kassette laut läuft, kann ich immer tadellos mitsingen. Wenn ich keinen Beifahrer habe und die Fenster geschlossen sind, versteht sich. Mir fällt ein, dass ich durch mein schiefes Gegröle ja erst recht jemanden auf mich aufmerksam machen könnte und bin doch lieber still.
    Vielleicht sollte ich auch das Licht, das erstaunlicherweise funktioniert, ausmachen und im Dunkeln pfeilschnell dahingleiten? Ach nee, das hatte ich ja heute schon, ich weiß, was dann passiert. Ich will zwar auf Tauchstation gehen, aber doch nicht wortwörtlich.
    Lyrik soll ja ungemein entspannend wirken. Doch mir fällt nur der Erlkönig ein: Wer reitet so spät durch Nacht und Wind ... Danke, sehr passend. Und dabei muss ich noch aufpassen, dass meine Tüten sich nicht in den Speichen verheddern und dass die fünf Quadratkilometer Stoff meines Kleides hübsch verknotet bleiben. Warum zum Teufel ist das Beamen, das ich als Kind in jeder Enterprise-Folge fasziniert verfolgt habe, nie wirklich erfunden worden? Das wäre doch wirklich mal eine gute, nützliche Sache, besser als all die Tarnkappenbomber – keine Ahnung, wozu so etwas gut sein soll – und sogar noch besser als die Concorde, die ja, wenn man den Menschen in den Illustrierten Glauben schenkt, kolossal unbequeme Sitze gehabt haben muss.
    Hinter der nächsten Kurve leuchtet ein notgelandetes UFO und taucht seine ganze Umgebung in malerisches Blau. Es sieht aus wie ein Futuro-Haus. Gibt es die eigentlich auch in Blau? Ich werde magisch davon angezogen. Bestimmt werden mich die Außerirdischen entführen. Doch das ist mir egal, ich wittere Schokoriegel!
    Je näher ich komme, um so mehr wird das UFO zur Tankstelle. Ich war noch nie ohne Auto bei einer Tankstelle und komme mir vor, als würde ich etwas Ungehöriges tun, als ich mein Rad an eine der Zapfsäulen lehne. Aber es hat nun mal leider keinen Ständer mehr, und die Glasscheibe des spacigen Raumschiffs erscheint mir noch ungeeigneter zu sein. Das hell erleuchtete UFO-Innere ist ein Süßigkeiten-und Zeitschriften-Paradies. Ich zähle allein siebenundvierzig verschiedene Schokoriegelsorten, die ich alle unbedingt haben muss, denn heute Nacht werde ich wohl keine Beeren mehr sammeln. Der Kassierer sieht mit seinem in langen Tentakeln vom Kopf abstehenden Haupthaar aus wie ein Alien. Ich weiß gar nicht, warum der mich ansieht, als sei ich von einem anderen Stern. Ach so, dass muss an meinem immer noch hüfthoch geknoteten Rock liegen, der die Sicht auf meine schlammigen Beine und noch ein wenig mehr freigibt. Der soll sich mal nicht so anstellen, schließlich habe ich ein Höschen an.
    Ich überlege kurz, ob ich mit Kreditkarte bezahlen soll. Dafür spricht, dass man, falls ich einem Verbrechen zum Opfer fallen, beispielsweise in den Harem eines unendlich reichen, aber ebenso grausamen Scheichs verschleppt würde, meine Spur immerhin bis hierher verfolgen könnte. Dagegen spricht, dass dann die letzte über mich bekannte Information sein wird, dass ich siebenundvierzig Schokoriegel gekauft habe. Und will ich wirklich, dass man mich so in Erinnerung behält, während ich im Harem mein zwar ungemein luxuriöses, letztendlich aber tristes Leben im goldenen Käfig friste? Lieber nicht. Zum Glück reicht mein Bargeld.
    Draußen werde ich von einem schmerbäuchigen LKW-Fahrer angesprochen, den die Botschaften der doch eigentlich flächendeckend werbenden Kosmetikindustrie noch nicht erreicht haben.
    »Ey, Zuckerpüppchen, kann ich dich irgendwohin mitnehmen?«
    »Nein, vielen Dank«, antworte ich. Bin ich denn bescheuert? Der nennt mich Zuckerpüppchen und ich bedanke mich auch noch artig! Daran ist nur meine gute Kinderstube Schuld, in der mir unkritische Höflichkeit in jeder Situation eingebimst wurde. Danke vielmals, Mutti. Mit Benimm lässt sich Mr. Unwiderstehlich der Landstraße nicht abwimmeln.
    »Ach, hab dich nicht so, los, steig ein!«, rülpst er mich an. »Es wird auch nicht wehtun, ich habe einen ganz kleinen Pimmel.«
    Ich schrecke entsetzt zurück. Hat mir dieser Widerling gerade Geschlechtsverkehr angeboten? Und mit einem winzigen Penis dafür geworben? Ich glaube, ich habe mich verhört. Wenn man nicht verstanden hat, was der Gesprächspartner gesagt hat, fragt man nach. Und zwar sagt man zu diesem Zweck nicht »Hä?« oder »Was?«, sondern »Wie bitte?« So habe ich es gelernt und will schon fast »Wie bitte?« sagen, da wird mir klar, dass eine solche Anstandsreaktion in dieser überhaupt nicht anständigen

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