Schlüsselspiele für drei Paare
fuhr herum. Die Blässe der Angst überzog ihn wieder.
»Ist mit Julia etwas geschehen?« rief er.
Pater Hall nickte. »Sie bekommt ein Kind von Ihnen.«
Ostra senkte den Kopf. Ein Kind, dachte er. Wie merkwürdig plötzlich der Gedanke ist: Ich werde ein Kind haben. Und noch merkwürdiger, daß ich nicht darüber lache, an einen Arzt oder eine ›weise Frau‹ denke, es mit einer Handbewegung abtue, wie es schon ein paarmal geschehen ist, in Südamerika, wo es genug verkrachte Ärzte gibt, die für 1.000 Pesos alles tun, was man ihnen vorschlägt. Ganz eigentümlich berührte ihn das Wissen, daß Julia ihm gehörte, daß er mit ihr nun für immer verbunden war.
»Das ist schön«, sagte Ostra leise. »Das ist sehr schön.«
Pater Hall atmete tief aus. »Was sagen Sie da?«
»Ich werde Julia heiraten. Ich nehme sie mit nach Buenos Aires. Sie werden es nicht glauben, aber seit dieser Nacht denke ich immer an Julia.«
»Das ist nicht zu glauben!« sagte Pater Hall hart. Ostra nickte.
»Auch Männer wie ich haben ein Herz, das mag vielleicht verwunderlich sein. Ich war auch schon bei ihr, aber sie war nicht zu Hause, sondern dieser Fallers, ihr Bräutigam. Er hat sich unhöflich benommen.«
»Julia wird Fallers heiraten.«
»Mit meinem Kind?« Ostra schüttelte den Kopf. »Das lasse ich nicht zu!«
»Julia will Sie nie wieder sehen.«
»Und um mir das zu sagen, sind Sie gekommen?«
»Nein.« Pater Hall sah Ostra aus dunklen, plötzlich harten Augen an. »Bevor ich hierherkam, hatte ich die Hoffnung, mit Ihnen sprechen zu können. Von Mensch zu Mensch, von Gewissen zu Gewissen. Ich hatte mir gesagt: So fern von Gott ein Mensch auch ist, er hat eine fühlende Seele. Ich habe Mörder gekannt, die bei dem Namen ihrer Mutter weinten wie ein Kind. Ich habe im Zuchthaus einem Mann gegenübergesessen, der vier Menschen mit einem Hammer erschlagen hatte – aber als ich seinen Kanarienvogel erwähnte, bekam er nasse Augen und flehte mich an, für das arme, jetzt verwaiste Tierchen zu sorgen und nachzusehen, ob es auch immer frisches Wasser habe. Und so dachte ich auch heute: Dieser Mensch Ostra muß eine Seele haben, die irgendwo zutage tritt, und dann kann man mit ihm reden.«
Ostra lächelte mit schiefem Mund. »Bitte, suchen Sie, Pater! Muß ich mich dabei auskleiden?«
Pater Hall nagte an der Unterlippe. »Ich habe mich geirrt. Gott hat auch Menschen leben lassen, die keine Seele haben, nur einen Blutkreislauf. Geschöpfe wie Maschinen. So einer sind Sie!«
»Danke. Es ist eine Freude, so etwas zu hören.«
»Ich wollte mit Ihnen reden, mehr kann ich ja nicht.«
»Natürlich!« Ostra lachte leise. »Ich könnte sagen, ich will beichten. Und Sie stünden unter dem Beichtgeheimnis. Ich könnte Ihnen jetzt Dinge gestehen, die Sie aus Ihrem Anzug fahren lassen! Und Sie müßten schweigen. Aber wozu soll man darüber reden? Sie predigen, ich handle! Das ist ein großer Unterschied. Und deshalb werde ich auch immer oben sein und Sie unten. Der untere trägt die Last der anderen … das ist Ihr Schicksal, Pater, und von Ihrem Christus so gewollt. Leide, damit das Paradies sich öffnet. Ich denke anders: Lebe! Und dann von mir aus alle Flammen der Hölle, wenn es vorbei ist mit diesem Leben! Oder können Sie mir garantieren, daß ich in den Himmel komme, wenn ich morgens und abends bete, sonntags in der Kirche knie und freitags kein Fleisch esse?«
»Sie werden einmal elend zugrunde gehen«, sagte Pater Hall langsam. »Da es sinnlos ist, mit Ihnen über Reue zu reden, muß ich Ihnen dieses sagen.«
»So etwas Ähnliches wie ein Fluch, was?« Ostra lachte laut. Eva Volbert, die in der Halle wartete, atmete auf. Es geht fröhlich her, dachte sie. Also kein unangenehmer Besuch. Aber die Zeit verrinnt. Die Zeit, in der ich mit Ostra allein sein kann. Sie trat an die breite, undurchsichtige Glastür zum Wohnzimmer und klopfte an die Scheibe.
»Die Hausherrin«, sagte Ostra freundlich. »Sie wird ungeduldig. Ihr Mann kommt erst spät aus dem Werk, und nun will sie ihn mit mir betrügen. Ich nehme an, daß sie alle Minuten auf die Uhr sieht.« Ostra lächelte Pater Hall an. »So ist das schmutzige Leben, Pater! Und verdammt schön ist es gerade darum! In zehn Minuten werde ich so glücklich sein, wie Sie es mir in hundert Predigten nicht versprechen können. Ihre Position in unserer Welt ist hoffnungslos, Pater.«
Pater Hall wandte sich um und ging zur Glastür. Im Gegenlicht aus der Halle sah er, wie eine schlanke
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