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Schmerz - Piccirilli, T: Schmerz - The Midnight Road

Schmerz - Piccirilli, T: Schmerz - The Midnight Road

Titel: Schmerz - Piccirilli, T: Schmerz - The Midnight Road Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Piccirilli
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Raubtier zu tun hatte.
    Harry Arnolds Augen weiteten sich.
    »Na bitte«, meinte Flynn. »Wie geht’s?«
    Harry erkannte ihn. Er blickte sich um, um zu sehen, was los war, warum Flynn da war und warum die Polizei zuließ, dass er einem trauernden Vater seinen Finger gegen den Kopf stieß. Etwas in Flynn warnte ihn. Er lächelte. Man konnte sein Lächeln je nach Situation als charmant, entwaffnend oder als leicht gestört empfinden. Es passte. Harry hörte auf zu schluchzen. Sein Blick wurde klarer und füllte sich mit Misstrauen und Angst.
Er schnäuzte sich ein letztes Mal und fragte: »Warum sind Sie hier?«
    »Ich würde Ihnen gern eine Frage stellen.«
    »Gehen Sie weg.«
    »Das würde ich gern, Harry, das würde ich wirklich sehr gern.« Flynn atmete kurz und schnell. Sein Blickfeld verdunkelte sich. Er fragte sich, ob er hyperventilierte. Ihm kam der abwegige Gedanke, nicht mehr atmen zu müssen, weil er so lange unter Wasser überlebt hatte.
    »Ich will nicht, dass Sie mir irgendwelche Fragen stellen.«
    »Das habe ich auch nicht erwartet. Aber deswegen bin ich hier.«
    Flehend sah Harry zu den Polizisten rüber. Keiner von ihnen reagierte. Sie ließen Flynn machen.
    »Warum hat sie das getan, Harry? Warum hat Grace sich umgebracht?«
    »Ihr Herz war gebrochen«, wimmerte er. »Es war wegen ihrer Mutter …«
    Flynns Hand schoss vor und landete auf Harrys Nase. Der schnellste Weg, einen Mann zu erreichen, war, ihn mit kompletter Verachtung zu strafen. So wie Graces Mutter, die ihre Tochter von innen heraus zerbrochen hatte. Päderasten und Vergewaltigern ging es darum, anderen ihren Willen aufzuzwingen, ihre Macht zu missbrauchen. Wenn man ihnen zeigte, dass sie gar keine besaßen, implodierten sie.
    Flynn sah die ganze Zeit Grace auf dem Fußboden liegen. Er wusste, dass er mit schuld an ihrem Tod war. Hätte er Harry vor vier Jahren eine Tracht Prügel verpasst,
wären ihre Chancen besser gewesen, die Schmerzen hinter sich zu lassen. Flynn hatte nicht gut genug aufgepasst. Jetzt packte er Harrys Nase und drehte sie herum. Harry stieß ein dünnes, mädchenhaftes Kreischen aus. Aber er blieb sitzen und wehrte sich nicht.
    »Kommen Sie, Harry. Erzählen Sie mir, was Sie getan haben.«
    »Ich habe gar nichts getan. Ich bin losgefahren, um Zigaretten …«
    »Das sind Sie nicht.«
    »Sie sind kein Polizist, was tun Sie hier?«, jaulte er. Jetzt war er so weit, es fehlte nur noch ein kleiner Stoß an der richtigen Stelle.
    Man musste einen Draht zu ihnen aufbauen. Man musste das sagen, was sie selbst nie aussprechen würden. Man zog ihnen die Worte aus dem Kopf und begann, für sie zu sprechen. Man fing ihr Geständnis für sie an und hoffte, dass sie es weiterführten.
    »Ich sage Ihnen, wie es war«, erklärte Flynn. Sein Blick schweifte ab. Er fing an, von einem hübschen Mädchen zu erzählen, das sich von einer flachbrüstigen Pubertierenden zu einer Sexbombe verwandelte, von der kein Mann die Augen lassen konnte. Von der Wut und dem Ärger, die in einem aufstiegen. Dem Hass auf die Libido. Dem Versagen des Willens. Dem Auslassen seiner Gefühle an einer verbitterten Ehefrau. Flynns Stimme nahm einen samtigen Ton an, den er selbst verachtete. Das dunkle Gefühl pochte in ihm.
    Harry Arnold wand sich in seinem Stuhl und fuchtelte kindisch mit den Händen in der Luft herum. Von tief aus seiner Kehle kamen schwache Geräusche, die
keinen Sinn ergaben. Es waren noch keine Worte. Ein bisschen würde es noch dauern.
    Doch dann sprach Harry ihren Namen aus, in einem heiligen, fast liebevollen Tonfall. »Grace«, flüsterte er wiederholt, wie eine Hymne voller Schmerz und Erlösung. Der matte Klang seiner Beichte ging durch das ganze Haus. Er bat sie um Vergebung.
    Es war leicht, seinen schwachen Punkt aufzuspüren. Er steckte in so vielen von ihnen, wenn auch so tief, dass die Männer sich nie dorthin vorwagten. Manche ignorierten ihn. Andere kämpften dagegen an. Viele leugneten ihn. Sie verdrängten ihn oder schlossen ihn weg, aber den Trieb ganz auszulöschen, gelang ihnen nicht. Hin und wieder überkam er sie. Er entließ das Böse in einem Mann in einen Akt der Liebe.
    »Was haben Sie mit ihr gemacht, Harry? Sagen Sie es mir.«
    Harry Arnolds Gesicht verdunkelte sich, als würde ein Schloss nach dem anderen sich in ihm öffnen und echte Emotionen herauslassen. Er schien etwas jenseits seiner selbst zu sehen. Flynn kannte den Blick. Harry begegnete seinen Erinnerungen. Er fing an zu weinen. Diesmal waren es

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