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Schmerz - Piccirilli, T: Schmerz - The Midnight Road

Schmerz - Piccirilli, T: Schmerz - The Midnight Road

Titel: Schmerz - Piccirilli, T: Schmerz - The Midnight Road Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Piccirilli
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heißt anders, mein Lieber. ›Made it, Ma! Top of the world!‹ Ein wunderbarer Film, Sie werden sehen.«
    »Ich weiß. Was führt Sie so früh ins Paradigm, Florence? Sie kommen doch sonst immer erst um neun.«
    »Meine Tochter Vicki ist wieder bei mir eingezogen. Ihre dritte Ehe ist in die Brüche gegangen, und jetzt wohnt sie wieder zu Hause, arbeitet in einer Bar und meckert den ganzen Tag. Ich mache mir Sorgen um meine Enkelin Maggie. Sie ist siebzehn und in einer ziemlich wilden Clique, aber sie ist nicht dumm. Sie weiß, dass das nirgendwo hinführt, und sie kämpft dagegen an. Ich möchte nicht so spät nach Hause kommen, damit wir noch etwas reden können. Um die Uhrzeit kann man sie am besten erreichen, bevor sie ins Bett geht oder sich noch mal rausschleicht, solange ihre Mutter in der Bar ist. Vicki kann sich nicht selbst helfen, sie kommt nach ihrem Vater. Bei Maggie ist es noch nicht zu spät. Ich tue mein Bestes, aber es ist nicht einfach.«
    »Sie schaffen das schon«, sagte Flynn und meinte es auch so.
    »Das hoffe ich. Vielleicht kann ich sie überreden, nächste Woche mitzukommen, wenn sie Jimmy und Edmond zeigen.«
    Flynn begleitete sie an den Rand, wo sie aus irgendeinem Grund gern in der dritten Reihe beim Notausgang saß und sich den Film schräg von der Seite ansah. Ohne ein Wort gab sie ihm eine Schachtel mit Süßigkeiten, und er nahm sie ohne hinzusehen entgegen. Als er wieder an seinem Platz war, machte Jessie Gray ein nachdenkliches Gesicht.

    »Mögen Sie Dippin Dots, diese kleinen Eiscremekügelchen hier?«, fragte er sie.
    »Mein Gott, gibt es die immer noch? Ich kann nicht verstehen, wie man so etwas essen kann.«
    »Kann man auch nicht, aber es gehört zum Kinoerlebnis dazu.«
    »Sie redet, als würden die Schauspieler noch leben«, bemerkte Jessie leise. Ihre Stimme klang mitfühlend und gleichzeitig etwas abfällig.
    »Das tun sie auch«, erklärte er ihr. »Auf ihre Art. Auf der Leinwand eben. Sie sind Teil der Geschichte, eine gemeinsame Fantasiewelt. Kennen Sie nicht den Spruch: Auf der Leinwand leben sie weiter ? Es klingt dumm und vielleicht ein bisschen verrückt, aber dahinter steckt ein ehrliches Gefühl. Wenige Menschen nehmen sich das so zu Herzen wie die echten Fans. Jeder mag Filme, aber es gibt ein paar Leute, für die ist das noch mal etwas anderes.«
    »Wahrscheinlich hat sie in ihrem Leben nur das.«
    »Seien sie nicht ungerecht, Jessie. Im Grunde ist sie ganz schön auf Draht. Sie hat eine Menge durchgemacht. Sie haben Recht, sie hat nicht viel anderes als diese Filme, aber wenn Sie das so anwidert …«
    »Es widert mich nicht an, um Gottes willen.«
    »… dann sollte Sie auch der Typ anwidern, der zwölf Stunden am Tag schuftet, eine lieblose Ehe führt und wahrscheinlich in die Grube fährt, wenn er fünfzig ist und seine Arterien so hart wie Stahl sind.«
    »Ich wollte nicht überheblich sein.« Sie griff nach seiner Hand. Ihr Griff war energisch und ungewöhnlich kräftig für ein Mädchen. Wahrscheinlich wollte sie aufrichtig wirken.

    »Das waren Sie aber«, sagte er, »Sie haben es nur nicht gemerkt. Machen Sie sich nichts draus. Jeder sagt mal etwas Diskriminierendes.«
    »Ich habe niemanden diskriminiert. Sie bringen einen wirklich zur Weißglut! Ich könnte Ihnen eine scheuern.«
    Er musste lachen. Der Film fing an. Nach zehn Minuten wurde Burt Lancaster umgelegt, und der Rest wurde über Rückblenden erzählt. Jessie Grays Hand streifte seinen Arm. Es fühlte sich eigentlich nicht wie ein Date an, aber sein letztes war schon so lange her, dass er schlecht einschätzen konnte, woran er war. Das »dirty old man«-Syndrom machte ihm immer noch zu schaffen. Die Tatsache, dass sie sich stritten, beruhigte ihn ein wenig. Er fühlte sich ungefähr so wie gegen Ende seiner Ehe.
    Burt wurde von Ava Gardner vom rechten Pfad abgebracht, einer Femme fatale von Weltklasse. Daraufhin rollte Edmond O’Brien Burts Leben von hinten auf, um herauszufinden, warum er seine Lebensversicherung einer alten Putzfrau hinterließ, die er kaum gekannt hatte. Das Drehbuch hielt ein paar hübsche Wendungen parat. Flynn hatte die Vorlage von Hemingway nie gelesen, aber er nahm es sich fest vor.
    Nach der Hälfte des Films stand Florence auf, drückte die kaum angetastete Popcorntüte an die Brust und eilte durch den Gang nach draußen.
    »Geht sie?«
    »Sie muss nach der Hälfte immer zur Toilette. Vor einiger Zeit hat man bei ihr Darmkrebs festgestellt und einen erheblichen Teil

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