Schmetterlingsschatten
ich wieder nach Hause komme, werden sie wissen, dass ich geredet habe. Und dann ergeht es mir noch schlechter als jetzt, das haben sie sehr deutlich gemacht.« Er presste die Lippen aufeinander und schüttelte den Kopf. »Nein, ich halte besser meinen Mund, ich habe schon zu viel gesagt.«
Elena runzelte ungläubig die Stirn. Was konnte Mark bloß solche Angst eingejagt haben? »Aber warum haben sie dich überfallen?«, versuchte sie es weiter. »Die haben das doch nicht einfach so gemacht, oder? Das war kein Zufall.«
Mark schüttelte den Kopf, sagte aber nichts.
»Wolltest du mich treffen?«, platzte sie direkt heraus. »Hast du mir die Briefe geschrieben?«
Jetzt nickte er langsam. Elena wartete, ob noch mehr kam, aber er schwieg hartnäckig.
»Warum willst du mir nicht sagen, warum ich dich treffen sollte?« Jetzt flüsterte sie, als ob sie dem Geheimnis so näher kommen könnte.
Wieder sah er sich mit gehetztem Ausdruck in den Augen im Zimmer um. »Das geht nicht«, flüsterte er dann zurück. »Sie würden es erfahren. Sie wollen nicht, dass ich dir etwas erzähle, deswegen haben sie mich überfallen. Wenn ich nicht die Klappe halte, dann… dann ende ich wie Laura, haben sie gesagt.«
Schlagartig wurden Elenas Knie weich und sie fühlte sich, als würde ihr Blut zu Eis. Es stimmte also. Irgendjemand war für Lauras Tod verantwortlich. Eigentlich hatte sie es immer gewusst. Ihre große Schwester konnte nichteinfach nur einen Unfall gehabt haben. Und Mark wusste, wer dafür verantwortlich war.
»Du musst es mir sagen!« Ihre Stimme war seltsam heiser. Verlegen räusperte sie sich. »Wenn es jemanden gibt, der Laura… wenn jemand ihren Tod verursacht hat, dann muss ich das wissen. Bitte!«
Wieder schüttelte Mark den Kopf. »Es war eine Schnapsidee, dir davon erzählen zu wollen. Es bringt dich nur in Gefahr. Und mich auch. Lass die Finger davon, dann passiert dir auch nichts!«
Wut stieg in Elena auf. Wie konnte er ihr im selben Atemzug erzählen, dass Laura ermordet worden war, und ihr dann sagen, sie solle das einfach so auf sich beruhen lassen? »Wie stellst du dir das vor?«, fauchte sie. Noch immer zitterte sie am ganzen Körper, aber ob vor Wut oder vor Angst, wusste sie nicht. »Ich kann das nicht einfach so vergessen. Was, wenn mir auch etwas passiert, sagst du dann immer noch nichts?« Zornig funkelte sie ihn an.
Er seufzte. »Ich denke nicht, dass dir etwas passiert, wenn du nur aufhörst, der Sache nachzugehen. Bitte, glaub mir. Wir sind beide sicherer, wenn du keine Fragen mehr stellst.«
»Aber du hast angefangen.« Am liebsten hätte sie es herausgeschrien. Sie merkte, dass ihre Augen feucht wurden. Ärgerlich wischte sie mit dem Handrücken darüber. »Du hast mir diese Briefe geschrieben, du hast mir gesagt, dass das alles kein Unfall war, und jetzt sagst du, ich soll einfach aufhören.«
»Ich hab dich sogar angerufen.« Jetzt lächelte er ein wenig. »Du hast aufgelegt, weil ich mich dann doch nicht getraut habe, dir alles zu sagen. Ich bin einfach zu feige.«
»Genau das bist du.« Ihre Verzweiflung machte nun einer tiefen Verachtung Platz. Immer noch wütend sah sie auf Mark hinunter. Wie konnte er bei so einer wichtigen Sache dermaßen ängstlich sein? Warum war er nur so… schwach?Sie ertappte sich dabei, wie sie ihn in Gedanken mit Tristan verglich. Tristan war in allen Dingen viel stärker, cooler als Mark, stellte sie mit einem leichten Anflug von Stolz fest.
Mark zuckte mit den Schultern. »Damit kann ich leben. Elena, lass es. Wenn dir auch was passieren sollte… ich möchte nicht schuld daran sein.«
Sie wollte zu einer Erwiderung ansetzen, aber ein Blick in sein verzagtes, müdes Gesicht sagte ihr, dass es sinnlos war.
»Na gut«, sagte sie leise, »wenn du zu viel Angst hast, dann brauchst du auch nicht mit mir zu reden.« Sie wandte sich zum Gehen. »Aber ich werde nicht aufhören nachzuforschen. Nicht jetzt, wo ich weiß, dass es etwas herauszufinden gibt.«
Langsam ging sie in Richtung Tür. Sie hoffte, dass er sie zurückrief, ihr endlich sagte, was er wusste. Für einen Augenblick blieb sie sogar stehen und sah auf den alten Mann im anderen Bett hinab. Aus den Augenwinkeln konnte sie sehen, dass Mark sie beobachtete, doch er sagte nichts. Mit einem Seufzen wandte sich Elena von dem alten Mann ab und griff zur Klinke.
»Lauras Unfall war nicht der Einzige. Ich glaube nicht einmal, dass es tatsächlich ein Unfall war. Wenn du wissen willst, was passiert ist,
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