Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schmidt Liest Proust

Schmidt Liest Proust

Titel: Schmidt Liest Proust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Schmidt
Vom Netzwerk:
einfach ein anderer Film gezeigt wurde. Vielleicht war es aber auch eine avantgardistische Pointe des Regisseurs, seinen Film so zu beenden.
    In Swanns Welt, S. 294–314
    Ein Rivale tritt auf den Plan, Graf von Forcheville, den sein geringes intellektuelles Niveau dazu befähigt, über die schwachen Scherze bei den Verdurins hingerissen zu sein, ohne sie überhaupt zu verstehen, weshalb er Swann schon bei seinem ersten Besuch aussticht. Und weil herauskommt, daß Swann auch in viel höher stehenden Kreisen verkehrt, könnte er bald in Ungnade fallen. Madame Verdurin erstarrt sofort zu Marmor, wenn sie gesellschaftlich übertroffen wird. Und das, obwohl sie doch solche unterhaltsamen Gäste hat wie Professor Brichot von der Sorbonne. Der » besaß nämlich jene an Aberglauben grenzende Neugier auf das Leben, die, mit einer gewissen Skepsis dem eigenen Studiengebiet gegenüber gepaart, in allen Berufszweigen gewissen der Intelligenz zugehörigen Männern, Medizinern, die nicht an die ärztliche Wissenschaft, Lyzealprofessoren, die nicht an den lateinischen Aufsatz glauben, das Ansehen von großangelegten, glänzenden und sogar überlegenen Naturen geben kann «.
    Die Gesetze dieses Salons unterscheiden sich nicht von denen heutiger Partys. Solange man Vergnügen heuchelt, ist man willkommen, wenn es allerdings zu echt ist, könnte es schon wieder peinlich wirken. Man darf vor allem nicht »langweilen«, also, wie Swann neuerdings (infolge seiner inneren Erneuerung durch die Musik) » seine Meinung manchmal mit Wärme aussprechen «.
    Proust ist ziemlich gnadenlos, wenn er Gesten wie Slapsticknummern beschreibt. Jemand schwärmt von Rembrandt: » Und wie die Sänger, wenn sie beim höchsten Ton angelangt sind, den ihre Kehle hergibt, mit Kopfstimme und piano weitersingen, begnügte er sich jetzt damit, vor sich hin zu murmeln, und unter fortwährenden Heiterkeitsausbrüchen, als sei diese Art von Malerei vor lauter Vollkommenheit schon nur noch komisch zu nehmen, fuhr er fort. « Die Frage stellt sich, ob es überhaupt möglich ist, nicht lächerlich zu sein.
    Unklares Inventar:
    – Commis-voyageurhafte Späße.
    Verlorene Praxis:
    – »Ich sollte mal nach den Pferden sehen« sagen, wenn man auf die Toilette muß.
    16. Mi, 2.8., Odessa, Uspenskaja 13
    Gestern abend auf der Deribasowskaja, der Flaniermeile von Odessa. Zu Eurodance-Beats waschen vor einem Steakhaus Mädchen im Bikini eine rosa Plastekuh. Es ist anzunehmen, daß diese Maßnahme die Popularität des Steakhauses befördern soll. Daß Mädchen, die eine rosa Plastekuh waschen, ein erotisches Bild abgeben, hätte man nicht geahnt. Handelt es sich hierbei wegen seiner Seltenheit schon um einen dieser verfeinerten Genüsse, wie Swann sie liebt, oder noch um einen groben? Die Denkleistung, die ich brauche, um so ein Bild zu begreifen. Und dabei will ich nur mit der Kuh tauschen.
    In Swanns Welt, S. 314–335
    Wie sind Geschenke von Männern zu bewerten? » Im Augenblick, wenn er sie mit Geschenken überschüttete […] konnte er sich […] von dem erschöpfenden Bemühen erholen, ihr durch sich selbst zu gefallen. « Ich habe Frauen immer zugetraut, das zu durchschauen, und deshalb ihre Intelligenz nie durch Geschenke beleidigen wollen. Andererseits, vielleicht ist es noch intelligenter, sie anzunehmen, obwohl man weiß, warum sie gemacht werden?
    Um Swann steht es schlimm, er denkt ununterbrochen an Odette: » Er stieg in den Wagen, aber er spürte, daß dieser Gedanke mit ihm eingestiegen war und sich auf seinen Knien niederließ wie ein Lieblingstier, das man überallhin mitnimmt und das er sogar unbemerkt von den Gästen bei Tische bei sich behalten würde. « Er fährt nicht mehr nach Combray, weil er Odette zu Hause nicht den Rivalen überlassen will. So richtig begehrt er sie allerdings auch erst, seit er mitbekommen hat, wie viele andere sie begehren, désir triangulaire . Außerdem ermüdet es ihn, sie ständig aufzusuchen, aber er darf auch nicht nachlassen, damit sie nicht denkt, er sei nicht mehr so leidenschaftlich verliebt wie vorher. Deshalb erhöht er die Beträge, die er ihr schickt. Vielleicht empfiehlt es sich, sich am Anfang seines Verhältnisses möglichst unfreundlich und geizig zu geben, um noch Steigerungsmöglichkeiten zu haben?
    Wichtig ist auch, nicht durch Eifersucht den Beweis zu liefern, daß man die Frau zu sehr liebt, » einen Beweis, der unter Liebenden denjenigen Teil, der ihn erhält, davon dispensiert, auch nur genug zu

Weitere Kostenlose Bücher