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Schmutzengel

Titel: Schmutzengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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er dumpf.
    »Wie man das halt so macht«, entgegnete ich. »An den Fingerabdrücken, der DNA, den Zäh…« An der Stelle stockte ich, als mir
     die Sache mit dem Gebiss wieder einfiel.
    Lauensteins Kopf ruckte hoch. »Sie haben das Gebiss bemerkt?«
    »Es ist ihm aus dem Mund gefallen, als ich   …«
    »Weil es ihm nicht passte«, sagte er. »Es war nicht seins.«
    »Wie bitte?« Da war er wieder, der Würgereiz.
    »Haben Sie eine Ahnung, wie teuer ein Gebiss ist?«, fragte er.
    Ich schüttelte den Kopf. Woher sollte ich das wissen? Ich besaß noch alle Zähne einschließlich der Weisheitszähne, hatte nur
     drei Plomben und musste mir jedes Jahr anlässlich der Routineuntersuchung von meinem Zahnarzt anhören, dass er von Leuten
     wie mir nicht leben könne.
    »Viele Menschen tragen Gebisse, die sie secondhand gekauft oder geschenkt bekommen haben«, sagte Lauenstein. »Das ist zwar
     nicht besonders bequem, aber besser als nichts, vermute ich.«
    Wir versanken wieder in Schweigen.
    »Was ist mit Fingerabdrücken?«
    »Dafür müsste man früher bereits Abdrücke genommenhaben, um sie jetzt vergleichen zu können. Mein Vater ist aber nie erkennungsdienstlich behandelt worden.«
    »Die DNA?«, schlug ich nochmal vor.
    »Eine DN A-Probe von der Leiche müsste man mit einer Probe von meinem Vater vergleichen«, sagte Lauenstein. »Aber er hat leider keine Haarsträhne
     an seinen Abschiedszettel geklebt. Also bleibt nur ein DN A-Vergleich zwischen ihm und mir. Das ist teuer. Ich bin mir nicht sicher, ob jeder beliebige Dorfpolizist, der einen toten Obdachlosen
     findet, die ganze Palette an Identifizierungsmöglichkeiten rauf und runter arbeitet. Vielleicht lässt er ihn einfach anonym
     verscharren. Ist bestimmt weniger Aufwand.«
    Ich hatte bisher keine Erfahrungen mit der Polizei gemacht, weder positive noch negative, konnte also nicht einschätzen, wie
     der von Lauenstein zitierte beliebige Dorfpolizist mit der anonymen Leiche eines Obdachlosen umgehen würde.
    »Wir müssen ihn finden«, sagte Lauenstein und drückte meinen Arm mit beiden Händen. »Erinnern Sie sich! Bitte! In welchen
     Waggon auf welchem Zug haben Sie ihn gelegt?«
    Seine blauen Augen hypnotisierten mich.
    Der Kerl macht Witze, dachte ich. Aber ein Blick auf mein verzweifeltes Gegenüber bewies mir das Gegenteil. Lauenstein meinte
     es ernst – todernst.
    »Ich kann Ihnen zeigen, an welcher Rampe der Zug stand, und Ihnen die ungefähre Abfahrtszeit sagen, aber mehr weiß ich auch
     nicht«, sagte ich entschuldigend.
    »Das reicht nicht«, sagte er. Es klang nicht anklagend, sondern eher verzagt. Enttäuscht.
    Natürlich hatte er recht, das reichte nicht. Zumal ich mir nicht vorstellen konnte, wie er den weiteren Weg des Zugesverfolgen wollte. Die Schienen entlangzulaufen schien mir jedenfalls nicht das geeignete Vorgehen zu sein.
    Wir saßen uns gegenüber, jeder in seine Gedanken versunken. Ich aß etwas von dem leckeren Mürbchen, denn die Regelmäßigkeit
     langsamer Kaubewegungen hatte mir noch immer beim Denken geholfen. Dass ich unter furchtbarem Stress stand und trotzdem essen
     konnte, fiel mir in dem Moment gar nicht auf.
    Lauenstein stand auf, goss seinen Kaffee in den Ausguss, spülte die Tasse aus und nahm sich neuen Kaffee. Nur sein Mürbchen
     rührte er nicht mehr an.
    In Gedanken ging ich alle meine Kunden und ihre Berufe durch. Da waren Banker, Börsenmakler, Werbeleute, Geschäftsleute mit
     Boutiquen auf der Kö oder in irgendwelchen Shoppingzentren, die an jeder Ecke der Stadt aus dem Boden schießen. Von einigen
     Kunden wusste ich nicht, was sie beruflich machten, zum Beispiel von Lauenstein, aber nach Stellwerksmitarbeitern der Deutschen
     Bahn sah keiner von denen aus. Irgendeine Möglichkeit musste es aber geben, den Weg des Güterzugs zu verfolgen.
    »Kennen Sie niemanden bei der Bahn?«, fragte ich.
    Lauenstein schüttelte den Kopf.
    Mein Kopfweh hämmerte in der Hirnschale und ich fühlte mich völlig zerschlagen. Ich wollte nur noch ins Bett. Andererseits
     fühlte ich mich für den Schlamassel, in dem Lauenstein steckte, auch mitverantwortlich. Widerwillig ließ ich endlich den Gedanken
     zu, dass die Wiederbeschaffung der Leiche definitiv an mir hängen bleiben würde. Und der einzige Mensch, der mir dabei helfen
     konnte, war – Troll. Sie hatte in ihren siebzehn Praktika in den unterschiedlichsten Branchen ein riesenhaftes Beziehungsnetzwerk
     geknüpft, das mir jetzt bestimmt helfen konnte.
    Ich sagte

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