Schnappschuss
machen wir wieder ’n Bruch, okay?«
»Wo warst du?«, wollte ihr Mann wissen, kaum dass Ellen einen Fuß ins Haus gesetzt hatte.
Ellen legte langsam Schal und Jacke ab und hängte sie an einen Haken neben der Hintertür. Sie sah auf ihre Uhr, ließ sich auch dabei Zeit. Fast halb zehn. Die Befragung Robert McQuarries hatte eine Stunde gedauert, die Fahrt zurück nach Waterloo – wo sie Challis abgesetzt hatte – und dann nach Hause weitere zwanzig Minuten. Sie war auch ohne die Bemerkung ihres Mannes schon streitsüchtig genug. Sie hätte Robert McQuarrie am liebsten durchgeprügelt, und sie traute ihren Gefühlen in Challis’ Gegenwart nicht, was sie ganz verrückt machte. Und jetzt auch noch Alan mit seinem Mist.
»Bei einer Personenbefragung«, sagte sie und umkurvte Alan.
»Na klar.«
»Was soll das denn jetzt heißen?«, fragte sie und stolzierte an ihm vorbei in die Küche.
»Du hast doch, na du weißt schon wen, nach Hause gefahren, hm? Und, hat er dich auf ’nen Drink eingeladen? Dir was zu essen gemacht? Oder seid ihr unterwegs irgendwo eingekehrt?«
»Ach, hör schon auf.«
Ihr Abendessen, ein erstarrtes Thai Curry aus der Dose auf Reis geschüttet, stand stumm und lieblos auf dem Tisch. Die Küche – Tisch, Bänke, Spüle – waren makellos sauber. Ellen wusste gleich, dass Lob und Dankbarkeit von ihr erwartet wurden. Stattdessen schob sie wortlos ihren Teller in die Mikrowelle, stellte die Wärmezeit ein und goss sich ein Glas Wein ein.
»Und, warst du?«
»War ich was?«
»Mit Challis aus«, sagte Alan kurz angebunden.
»Ja.«
»Was habt ihr gemacht?«
»Hab ich schon gesagt, eine Person befragt. In Mount Eliza, wenn du es genauer wissen willst.«
Nach kurzem Schweigen sagte Alan: »Und, hast du ihn nach Hause gefahren?«
Es machte ihr Spaß, sich dumm zu stellen. »Wen? Die Person?«
Alans Kinn und Fäuste wurden hart, und Ellen ging auf, dass er sie schlagen würde, wenn sie es nur weit genug trieb. Im Augenblick war ihr das völlig egal, so als handle es sich nur um eine unbedeutende Hypothese, die sie eines Tages mal beweisen müsse.
»Challis«, sagte er mit unterdrückter Stimme.
Sie gab ihm noch eine Schonfrist. »Er hat einen Leihwagen.« Leider ,hätte sie beinahe hinzugefügt.
Die Mikrowelle piepte, und Ellen nahm ihren zischenden, dampfenden Teller heraus. Alan schaute ihr beim Essen zu. Ihr wäre es lieber gewesen, er würde das lassen.
»Schmeckts?«
»Nicht schlecht.«
»Ich hab gewartet, hatte dann aber Hunger«, sagte Alan unschuldig. Ellen nahm an, dass sie ihn vor ihrem geistigen Auge wieder als den Burschen sehen sollte, den sie geheiratet hatte, jungenhaft, verletzlich und unkompliziert. Sie aß. Sie hatte Kohldampf.
»Hab Nachrichten geschaut. Bist du immer noch an dem Mordfall McQuarrie?«
»Ja.«
»Irgendwelche Kandidaten?«
»Ein paar.«
»Also in nächster Zeit kein freier Tag abzusehen?«
»Nein.«
»Ich dachte«, fuhr er fort, »wir könnten in die Stadt fahren, eine Nacht im Windsor verbringen und uns mit Larrayne treffen.«
Das klang an und für sich wie eine gute Idee, fand Ellen, doch ihr Instinkt sagte ihr, dass Alan das nur deswegen vorschlug, um sie von Challis fern zu halten und sie daran zu erinnern, dass sie auch noch Verantwortung für die Familie hatte. Ehefrauliche Verantwortung. Und weil er sie nicht kannte, nicht mehr so wie früher, glaubte er, eine solche romantische Geste würde sie ablenken.
»Das geht im Augenblick überhaupt nicht«, sagte sie und leerte ihr Glas.
»Dir steht doch wegen gestern noch freie Zeit zu. Und ich hab Freitag frei.«
»Alan, wir stecken mitten in einer wichtigen Ermittlung.«
»Du und Challis.«
»Und die anderen.«
Er reckte seine Hand besänftigend in die Höhe. »Ich will doch nur, dass du auf dich Acht gibst, mehr nicht – dass du dich nicht so verausgabst.«
Ja klar, dachte Ellen.
»Ich meine, musstest du denn wirklich heute so früh los, um Seine Hoheit abzuholen? Warum hat er sich nicht einfach ein Taxi gerufen? Nein, du musstest diesen Riesenumweg fahren und ihn abholen. Wo wohnt er gleich noch mal?«
Ellen sagte es ihm, ohne zu zögern, dann stockte sie und sah Alan genau an. Doch ihr Gatte wirkte glaubwürdig, war ein guter Schauspieler und blätterte gedankenverloren in dem Weidenkorb mit Haushaltsrechnungen. Gott allein wusste, welches Grauen er dort wieder ausgraben würde. Ellen schenkte sich Wein nach, den sie eigentlich gar nicht mehr wollte, nur um sich damit für
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