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Schnee in Venedig

Schnee in Venedig

Titel: Schnee in Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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«So tot wie Moosbrugger und die Frau in Triest. Jeder, der über Haslinger Bescheid weiß, schwebt in Lebensgefahr.» Sie überlegte einen Moment lang. «Hatte ich Ihnen gesagt, dass der Unteroffizier, der im Prozess gegen Pergen ausgesagt hat, sechs Monate später mit durchschnittener Kehle aufgefunden wurde?»
    «Nein, hatten Sie nicht.»
    «Ich frage mich, ob dieser Priester noch am Leben ist.»
    «Welcher Priester?»
    «Pater Abbondio aus Gambarare. Der Mann, der damals Anzeige erstattet hat.»
    «Moment mal. Sagten Sie, äh   …
Gambarare

    «Ja, sicher.» Elisabeth runzelte die Stirn. «Ein kleines Nest in der Nähe von Mira. Hatte ich vorhin den Ort nicht erwähnt?»
    Tron schüttelte langsam den Kopf. «Das habe ich   … wohl überhört.» Er war sich plötzlich sicher, dass das Rotieren der Gedanken in seinem Gehirn unüberhörbare Geräusche verursachen musste. «Ist bekannt, was aus diesem Mädchen geworden ist, dessen Eltern erschossen worden sind?»
    «Zum Zeitpunkt des Prozesses war sie in einem Waisenhaus in Venedig», sagte Elisabeth.
    Tron musste sich räuspern, bevor er wieder in der Lage war zu sprechen. «Ist sie als Zeugin geladen worden?»
    «Ja, aber sie konnte sich an nichts erinnern.» Elisabethwarf einen besorgten Blick auf Tron. «Ist alles in Ordnung, Commissario?»
    «Dieses Mädchen   …», sagte Tron langsam. Dann schwieg er und presste die Lippen einen Moment lang so fest zusammen, dass sie einen weißen Strich bildeten. «Dieses Mädchen war Passagier auf der
Erzherzog Sigmund.
Und sie hat Haslinger erkannt. Es handelt sich um die Prinzessin von Montalcino.»
    «Woher wissen Sie, dass die Principessa Haslinger wiedererkannt hat?»
    «Als ich mit der Principessa im Fenice war, sind wir ihm begegnet. Da hat sie ihm gesagt, dass sie ihn an Bord gesehen hat. Aber sie hat mehr gemeint als nur das. Das war mir an Ort und Stelle nicht klar.»
    «Wie hat Haslinger reagiert?»
    «Er hatte es plötzlich sehr eilig zu verschwinden. Ich habe dem keine große Bedeutung beigemessen. Aber jetzt bin ich mir sicher, dass er die Principessa erkannt hat – oder Maria Galotti, wie sie damals hieß. An ihren Sommersprossen, ihren blonden Haaren und den grünen Augen.»
    «Aber wenn die Principessa gewusst hat, wer Haslinger war – warum hat sie Ihnen nichts davon gesagt?»
    «Sie hätte über das sprechen müssen, was damals mit ihr in Gambarare passiert ist», sagte Tron. «Was sie verständlicherweise nicht wollte. Außerdem musste sie damit rechnen, dass Oberst Pergen wieder seine Hand über Haslinger halten würde. Genauso wie vor zwölf Jahren.»
    «Das würde allerdings bedeuten, dass die Principessa – falls Pergen die Papiere findet – genauso gefährdet ist wie der Oberst. Wenn Haslinger konsequent weitermordet, steht sie auch auf seiner Liste.»
    «Kaiserliche Hoheit reden, als wäre der Oberst bereits tot. Dabei ist das alles nicht mehr als eine Hypothese.»
    «Eine gut begründete Hypothese, wie ich meine. In dem Moment, in dem Pergen seine Unterlagen gefunden hat, wetzt Haslinger das Messer. Und dann   …»
    Die Kaiserin fuhr sich langsam mit dem Zeigefinger ihrer rechten Hand über die Kehle. Tron fand, dass diese Geste, ausgeführt von einer Hand in einem eng anliegenden schwarzen Handschuh, etwas außerordentlich Elegantes hatte.
    «Aber ich will Ihre Zeit nicht länger in Anspruch nehmen, Conte.» Die Kaiserin lächelte. «Wie erreiche ich Sie, wenn ich nicht über die Questura mit Ihnen Kontakt aufnehmen will?»
    «Kaiserliche Hoheit können mir eine Nachricht in den Palazzo Tron schicken. Adressiert an Signor da Ponte.»
    Tron hatte erwartet, dass die Kaiserin sich jetzt erheben würde, doch stattdessen sagte sie: «Da wäre noch etwas, Conte.»
    «Ja?»
    «Stimmt es, dass das Auge des Ermordeten das Bild des Mörders festhält?»
    Tron kannte diese Theorie. Er vermutete, dass sie mit der Entstehung der Fotografie aufgekommen war: das Auge als Linse und die Netzhaut als lichtempfindliche Platte. Er sagte: «Es kommt darauf an.»
    «Worauf?»
    «Auf die Entfernung des Mörders zum Opfer, auf den Lichteinfall und darauf, wie weit das Opfer im Augenblick des Todes die Augen geöffnet hatte. Der Vorgang beruht auf den ganz normalen optischen Gesetzen.» Tron hatte keine Ahnung, was die
ganz normalen optischen Gesetze
waren, aber es hörte sich gut an.
    Die Kaiserin machte ein nachdenkliches Gesicht. «Gesetzt den Fall, Sie würden mich jetzt ermorden, Conte.»
    Tron

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