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Schneegestöber (German Edition)

Schneegestöber (German Edition)

Titel: Schneegestöber (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophia Farago
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bringen. Wenn Sie mir bitte folgen wollen, Miss. Seine Lordschaft wartet nicht gerne.«
    Kitty ließ sich leise aufseufzend in dem Stuhl nieder und begann mit zittrigen Fingern, die Bänder ihrer schweren Haube zu lösen.
    »Wie haben Sie mich genannt?« Mary Ann blickte verdutzt zu dem Diener hinüber, der sie mit einer Handbewegung bat, ihm zu folgen.
    »Hier entlang«, sagte er höflich. »Ich nannte Sie Miss Mary, da mein Herr leider verabsäumte, mir Ihren Nachnamen zu nennen. Ich bitte, mir diese Freiheit zu verzeihen.« Als er bemerkte, daß die junge Dame stehengeblieben war und, den Kopf schräggestellt, ihm einen skeptischen Blick zuwarf, wurde er unsicher: »Sie sind doch Miss Mary?« vergewisserte er sich.
    »Miss Mary Ann Rivingston, um genau zu sein«, berichtigte sie ihn langsam. »Und Sie sagten, Ihr Herr, ich meine, Seine Lordschaft erwartet mich?«
    Der Butler nickte. »Ja, bereits seit gestern, Miss. Wenn Sie mir jetzt bitte folgen wollen. Vorsicht, eine Stufe. Hier wären wir, Miss.« Er öffnete die schwere Eichentüre zur Bibliothek. »Miss Mary ist eingetroffen, Mylord.«
    »Na endlich«, sagte eine männliche Stimme vom breiten Ledersessel neben dem Kamin her. »Lassen Sie sie herein. Danke, Higson. Ich brauche Sie nicht mehr.«
    Mary Ann betrat den Raum und blickte sich interessiert um. Hinter ihr fiel die Tür mit leisem Klicken ins. Schloß. Was für ein beeindrukkendes Zimmer. Schlichte Holzregale, die bis zur Decke reichten, waren bis auf den letzten Platz gefüllt. In feines Leder eingebundene Bücher mit goldener Prägung am Rücken standen in Reih und Glied auf den Regalen. In Kirschholzrahmen gefaßte Jagdszenen schmückten die dunkelgrünen Tapeten zwischen den Bücherkästen. Ein schwerer Schreibtisch stand neben dem Fenster. Eine kleine Sitzgruppe vor dem Kamin, in dem, der Jahreszeit entsprechend, ein loderndes Feuer prasselte. Der Hausherr hatte sich erhoben, kam ihr jedoch nicht entgegen. Mary Ann blickte zu ihm hinüber und konnte nicht glauben, was sie da sah: Dieser Mann war kaum über dreißig. Seine braunen Locken waren länger, als es die herrschende Mode vorschrieb. Er hatte sie schwungvoll aus der Stirn gekämmt. Undurchdringliche graue Augen ruhten prüfend auf ihr. Die schmalen Lippen zeigten kein Lächeln.
    »Mylord St. James?« erkundigte sie sich unsicher. Konnte es sein, daß Kittys Vormund nicht der alte Herr war, mit dem sie gerechnet hatten? War er etwa wirklich diese sportlich durchtrainierte, breitschultrige Gestalt, die nach der neuesten Mode gekleidet neben dem offenen Kamin stand und sie skeptisch beobachtete? »So ist es, Miss«, er deutete eine Verbeugung an. Ihr Erstaunen verwunderte ihn. »Nehmen Sie Platz.« Mit einer einladenden Handbewegung wies er auf einen Stuhl dem seinen gegenüber. Dann setzte er sich nieder und schlug seine Beine übereinander. »Ich nehme an, Sie wissen, worum es geht.« Er blickte sie erwartungsvoll an.
    »Wenn ich ehrlich bin, Mylord, nicht genau«, gab Mary Ann zurück.
    »Sehen Sie, ich, wir…« Sie unterbrach sich. Es war unmöglich! Der ganze mit Kitty sorgsam durchdachte Plan war unmöglich! Sie konnte diesen jungen Mann nicht bitten, sie und Kitty in sein Haus aufzunehmen! Bei einem alten Onkel wäre dies durchaus comme il faut gewesen. Doch keinesfalls bei diesem stattlichen jungen Gentleman im heiratsfähigen Alter. Kittys Ruf und auch ihr eigener wärenim Handumdrehen für immer zerstört. Was sollte sie tun? Sie hatten kein Geld mehr, um die Miete des Hotelzimmers zu begleichen, sie…
    Seiner Lordschaft war nicht entgangen, daß sein Gegenüber erbleichte, und er fragte sich, was dieses Entsetzen wohl hervorgerufen haben könnte. »Wie Ihnen Mr. Goldsmith sicherlich erklärte, bin ich auf der Suche nach meiner Frau.« Mary Ann bemühte sich, ihre trostlosen Gedanken zu vergessen und Seiner Lordschaft zuzuhören. »Ich habe Sie engagiert, mir dabei zu helfen«, hörte sie ihn sagen. »Als Lohn wurden vierhundert Pfund vereinbart. Zweihundert Pfund im voraus, zweihundert Pfund, wenn wir Miss Westbourne, ich meine, meine Frau, gefunden haben. Das ist Ihnen doch sicherlich nicht unbekannt?«
    Mary Ann blickte ihn mit großen Augen an. Wovon sprach dieser Mann? Wer war Goldsmith? Welche Miss Westbourne vermißte Seine Lordschaft? Doch nicht etwa eine Verwandte von Bernard? Es war offensichtlich, daß Seine Lordschaft auf eine Antwort wartete.
    »Ich, ich…«, begann sie. Die Gedanken wirbelten durch ihren Kopf. Hatte

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