Schneemond (German Edition)
gute Geschichte von Walden hören würde, würde er ihn erschießen und sich anschließend den Weg aus diesem Haus freikämpfen. Vielleicht würde er dabei draufgehen, doch dass war ihm momentan egal. In wirklich kritischen Situationen gab es nur ein Erfolgsrezept – immer schön einen Schritt nach dem anderen. Wenn er sich jetzt schon Gedanken darüber machte, was hinter der Tür, oder draußen vor dem Haus alles auf ihn warten mochte, würde er sich nur verzetteln. Also schön im Hier und Jetzt bleiben. Zuerst den Alten erschießen – dann konnte er sich mit dem nächsten Schritt befassen. Walden war klar, dass die Zeit für Erklärungen begrenzt war. Doch, anders als Goran, dachte er immer mehrere Schritte voraus und so überraschte ihn die Situation, in der er sich nun plötzlich befand, nicht im Geringsten. Er setzte ein zufriedenes Lächeln auf und lehnte sich in seinem Sessel zurück.
»Sehr gut Mr. Salin, Sie sind ein Mann nach meinem Geschmack.«
Er richtete sich leise stöhnend aus dem Sessel auf und ging zum Kamin hinüber, wo er, einen Arm auf den Sims gelegt, ruhig zu Goran und in die Mündung der Waffe blickte, die ihm, wie ein Magnet, gefolgt war.
»Ich will Ihnen Ihr Leben nicht nehmen, Mr. Salin«, begann er mit seiner Erklärung. »Ich will, dass Sie sich uns – also mir und den Leute, die ich repräsentiere – anschließen. Ich will, dass Sie Ihren angestammten Platz in unseren Reihen einnehmen und mit uns für eine neue Ordnung der Dinge kämpfen.«
Schließlich ging er zu Goran. Und mit einer unglaublich schnellen Bewegung, die der blonde Hüne nicht ansatzweise hatte kommen sehen, riss er ihm die Waffe aus der Hand und ließ diese eine Sekunde später, zerlegt in Schaft, Schlitten und Magazin, zu Boden fallen. Er stütze sich hart auf die Armlehnen des Sessels, wodurch sein zerfurchtes Gesicht, aus dem nun Zorn und Ungeduld sprach, nur wenige Zentimeter vor dem Goran’s schwebte.
»Und ich will, dass Du endlich aufhörst mit diesen verdammten Kindereien, weil ich Dich sonst in Stücke reiße und Deinen stinkenden Leichnam über den halben Bundesstaat verteile.«
Goran war schon, noch bevor die Teile seiner Waffe den Boden berührten, bereit, seinen Gegner mit aller Härte zurückzuschlagen. Doch nicht ein Muskel seines Körpers gehorchte ihm mehr. Und als der Alte zu Ende gesprochen hatte, bemerkte er entsetzt, dass ihm auch die Organe den Dienst versagten. Er konnte nicht atmen und sein Herz stand still. Und bevor er ohnmächtig wurde und ihn schwarze Dunkelheit umfing, spürte er
Seine
Anwesenheit. Und
Sein
Lachen über Goran’s Hilflosigkeit begleitete diesen aus dem Bewusstsein hinaus.
Kapitel 18.
B en betrachtete Lukas aufmerksam und interessiert. »Wirklich, Ben, es tut mir leid....«, sagte er nun schon zum dritten Mal.
Ben war erstaunt gewesen, als Lukas plötzlich vor seiner Tür gestanden hatte und mit ihm reden wollte. Erstaunt und angenehm überrascht. Ben hatte wirklich befürchtet, dass Lukas wegen dem, was immer ihm und Daniel da unten in den Kellern zugestoßen war, wieder in seine alte Lethargie und Verzweiflung zurückfallen würde. Er rätselte noch immer, wie auch alle anderen, was da unten tatsächlich geschehen war. Aber viel wichtiger erschien ihm momentan, dass es Lukas eben nicht in sein
schwarzes Loch
zurückwarf, aus dem Ben ihn so mühsam herausgezogen hatte. Hier war ganz offensichtlich etwas Anderes im Gange. Trotz aller Verschlossenheit, die Lukas in den vergangenen Wochen immer mehr an den Tag gelegt hatte und die allen, die mit ihm zu tun hatten – einschließlich ihm und Maria – schwer zu schaffen machte, bewegte sich Lukas wohl in eine andere Richtung.
»Jetzt hör schon auf«, brummte Ben. »Ich verzeih Dir ja, dass Du Dich aufgeführt hast wie der letzte Arsch. Also ehrlich.«
»Hey, hey, hey....«, versuchte sich Lukas zu entrüsten.
»Wie ein Arsch!«, beharrte Ben.
Lukas war den ganzen Nachmittag verschwunden gewesen und erst vor einer viertel Stunde, als sich silbrig graue Nebel in der Dämmerung vor den strahlend schönen Herbsttag geschoben hatten, hier bei ihm aufgetaucht. Er war nicht das Kindermädchen seines Freundes – und doch hätte er gerne gewusst, wo er denn gewesen war. Aber letztlich war das Lukas’ Sache und es ging ihn nichts an, wenn er nicht darüber reden wollte.
»Es ist aber auch nicht leicht, mein Lieber....«, versuchte Lukas ihm zu erklären. »....wenn Du so eine wilde Geschichte durchmachst, wie Daniel
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