Schneetreiben: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)
Personalunterkünfte.« Sie überlegte. »Ach ja, und noch ein oder zwei Abstellräume. Aber das ist sowieso alles abgeschlossen.«
»Und Frau Brilons Zimmer lag …?«
»In der ersten Etage. Wir bemühen uns, unsere Demenz- und Alzheimer-Patienten so nahe wie möglich bei den Schwesternzimmern unterzubringen, damit wir sie leichter im Auge behalten können.«
Winnie nickte. »Und diese Personalunterkünfte, von denen du gesprochen hast, werden die auch genutzt?«
Das Thema schien Keela nicht besonders zu interessieren, und ihre Antwort fiel entsprechend oberflächlich aus. »Soweit ich weiß, sind zwei davon zurzeit vermietet. Eins an die Küchenhilfe. Und das andere an eine der Putzfrauen, glaube ich. Aber ich bin praktisch nie da oben.«
»Hm.« Winnie beobachtete das Mienenspiel ihres Gegenübers genau, weil sie nicht wusste, wie viel Interesse an der Sache Keela so ohne weiteres schlucken würde. Und wann sie anfing, sich ausgehorcht zu fühlen. »Wie ist das überhaupt geregelt?«, tastete sie sich vorsichtig weiter. »Dürfen die Patienten grundsätzlich überall hin?«
»Ja, na klar. Warum denn nicht?« Keela knibbelte gleichgültig an ihrem Daumennagel. »Das heißt, nachts gibt es neuerdings gewisse Einschränkungen, aber die fallen eigentlich nicht weiter ins Gewicht.«
Um keinen übereifrigen Eindruck zu machen, beschränkte sich Winnie Heller darauf, ihre neue Kollegin fragend anzublicken.
»Die Heimleitung hat Anweisung gegeben, die Gemeinschaftsräume und die Küche über Nacht abzuschließen, nachdem da zugegebenermaßen ein paar echt eklige Sachen gelaufen sind«, ließ Keela sich herab zu erklären.
»Eklige Sachen? Was heißt das?«
»Ach, irgendwer hatte eines Morgens die Wände im Frühstücksraum mit Fäkalien beschmiert. Das war vielleicht eine Sauerei, kann ich dir sagen. Es musste alles neu gestrichen werden. Und im Aufzug ist auch schon mal was in der Richtung vorgefallen. Du weißt schon, sodass derjenige, der auf einen der Knöpfe drückt, gleich alles an den Händen hatte.« Sie schüttelte sich mit angewiderter Miene.
»Tja, manche dieser alten Leute benehmen sich wie die kleinen Kinder, was?«, sagte Winnie, weil sie das Gefühl hatte, dass Keela eine solche Reaktion von ihr erwartete.
Doch zu ihrer Überraschung wurde die Pflegerin mit einem Mal sehr ernst. »Ich glaube eigentlich nicht, dass es einer von den Bewohnern gewesen ist«, sagte sie mehr zu sich selbst als an Winnie gewandt.
»Wer denn sonst?«
»Ach, keine Ahnung.« Die Grenze von Keela D’Aabis Mitteilungsbereitschaft war erreicht, kein Zweifel. »Vielleicht irre ich mich auch. Aber jetzt müssen wir wirklich ranklotzen. Wir sind verdammt spät dran.«
»Weil sich Frau Hartwig und Frau Eichenberg sonst schon die Köpfe eingeschlagen haben?«, fragte Winnie, bemüht, den Argwohn ihrer neuen Kollegin durch einen Schwall unbedarfter Munterkeit zu zerstreuen.
Und sie hatte Erfolg. Keela lachte. »Nicht nur die beiden«, entgegnete sie. »Aber das wirst du ja alles selbst sehen. Manchmal ist es hier spannender als im Kino.« Sie knallte die Tür ihres Spinds zu. »Und jetzt komm, ich erkläre dir alles Weitere, wenn wir dort sind.«
2
»Jetzt geht die ganze Zeit nur die Mailbox dran«, konstatierte Verhoeven und steckte sein iPhone wieder ein.
»Vielleicht haben sie ihr nicht erlaubt, das Handy während der Dienstzeiten eingeschaltet zu lassen«, schlug Lübke vor.
»Möglich.« Verhoeven nahm sich Kaffee aus der Thermoskanne. »Ich würde nur gern wissen, was sie gewollt hat.«
»Wenn’s so wichtig gewesen wäre, hätte sie’s bestimmt noch mal versucht«, beruhigte ihn Werneuchen.
»Ja, wahrscheinlich.« Verhoeven klang nicht überzeugt. Doch sie kamen auch nicht mehr dazu, das Thema zu vertiefen, denn Hinnrichs stürmte mit der ihm eigenen Urgewalt herein und knallte die Tür hinter sich zu.
»Ich brauche Kopien von allen Briefen, die Ackermann während seiner Haftzeit bekommen hat.«
»Das wird nicht ganz einfach werden«, sagte Bredeney.
»Wieso nicht?«
»Weil fast alles in dieser Richtung über seinen Anwalt gelaufen ist.« Bredeney war einer von denen, die selbst ein Mann wie Hinnrichs höchst selten auf dem falschen Fuß erwischte. »Der Fall hat so viel mediale Aufmerksamkeit bekommen, dass praktisch jedem, der sich für Ackermann interessierte, auch der Name seines Anwalts bekannt war. Und es ist allgemein bekannt, dass die Korrespondenz mit der eigenen Rechtsvertretung nicht den
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