Schneewittchens Tod
Schlucken, lächelte bisweilen höflich.
Ein Langweiler - sie bereute längst, seine Einladung angenommen zu haben, sagte sich Chib und nahm seine Tandoori-Garnelen in Angriff, während Greg ihm lang und breit den letzten Klatsch der Stadt erzählte. Wusste er schon, dass Laeticia, die junge Frau von Notar Seems, ihren Mann mit Joel, dem Heilpraktiker, betrog?
»Hm.«
Plötzlich drehte sich der Weißhaarige um und verlangte nach der Rechnung. Chib traute seinen Augen nicht. Es war Cordier. Der treue Hausarzt der Familie beim Tete-a-Tete mit dem Dienstmädchen. Na und? Hatte er nicht das Recht, eine attraktive junge Frau anzubaggern?
»Sie ist süß, die kleine Araberin«, raunte Greg ihm in diesem Augenblick zu. »Würde ich gerne zum Nachtisch vernaschen. Kennst du sie?« »Nein, wieso?«
»Weil sie dich eben gegrüßt hat.«
»Wie?«
»Ja, Mensch, sie hat dir ein Zeichen gemacht. Also ist sie entweder deinem unwiderstehlichen Charme verfallen, oder du kennst sie.«
»Na ja, ein bisschen .«
»Ein bisschen? Verdammt, stell sie mir vor!«
»Sie ist in Begleitung.«
»Der alte Knacker? Du machst wohl Witze. Warte, sie stehen auf, sie kommen, halt dich zum Angriff bereit!«
Chib drehte sich um, als Aicha und der Arzt eben auf seiner Höhe angelangt waren. Sie lächelte ihm höflich zu, und er bemerkte das Erstaunen in den Augen des Arztes.
»Guten Abend«, sagte sie.
»Guten Abend. Darf ich Ihnen Gregory, einen alten Freund, vorstellen. Gregory, Aicha und Doktor Cordier.«
»Na, so ein Zufall!«, meinte der und machte Anstalten, weiterzugehen.
»Können wir Sie zu einem Drink einladen?«, fragte Greg -feuriger Blick, stählernes Lächeln.
»Nun .«
Aicha zögerte.
»Ein andermal, danke«, schaltete sich Cordier mit einem höflichen Lächeln ein, und sie gingen.
Greg beugte sich zu Chib vor: »Die Kleine muss ich haben. Hast du ihren Vorbau gesehen? Was meinte der Alte übrigens mit >So ein Zufall Kennst du den auch?« Greg verschlang einen gehäuften Löffel Reis.
»Er ist der Hausarzt eines meiner Kunden. Ich habe ihn wegen eines Problems mit meinem Handgelenk aufgesucht.« »Ich habe dich ja gewarnt«, lachte Greg. »Aber wenn du mich fragst, ist dein Problem nicht das Handgelenk, weißt du .«
Draußen war es kalt, feuchte Windböen, wirbelnde Wolken, schimmernde Wellen. Die Passanten stemmten sich mit gesenkten Köpfen gegen den Wind. Ein Hund pinkelte seligen Blickes an einen Mülleimer.
»Kneif mich, ich träume!«, rief Greg plötzlich und reckte den Hals.
Chib folgte seinem Blick. Den Kragen ihres grünen Mantels hochgeschlagen, die Hände in den Taschen vergraben, wartete sie am Taxistand. Und schon stürmte Greg los, mit der Begeisterung eines Setters, der ein Wildkaninchen gewittert hat.
»Können wir Sie irgendwo absetzen?«
Sie fuhr zusammen, entspannte sich aber wieder, als sie Chib bemerkte, der hinter dem großen Blonden auftauchte.
»Ich wohne ziemlich weit entfernt, Monsieur Moreno weiß es.«
»Ah, Monsieur Moreno weiß es«, sagte Greg und bedachte Chib mit einem lasziven Blick. »Macht nichts, wir werden Sie nicht erfrieren lassen; außerdem ist es unvorsichtig.«
»Ich möchte Sie nicht stören.«
»Aber das stört uns doch nicht, was, Chib? Eine kleine Spazierfahrt, das macht uns keine Angst! Los, kommen Sie.«
Sie folgte ihnen. Greg lenkte das Gespräch auf das Restaurant, und ihre Nervosität ließ ein wenig nach. Mit einem Seufzer ließ Chib seinen geliebten Floride stehen. Er würde frühestens in einer guten Stunde zu Hause sein.
Greg startete seinen Jeep wie ein Rallyefahrer. Aicha hatte sich geweigert, vorne einzusteigen. Auf dem Rücksitz kauernd, klammerte sie sich am Überollbügel fest. Greg legte eine CD ein, und die Vibrationen von Daft Punk erfüllten den Wagen. One more time …
»Gefällt Ihnen das?«, brüllte er.
»Ja. Ich liebe Techno.«
»Ich auch. Kennen Sie das Palladio? In der Rue Neuve?«
»Ja, ein super Schuppen!«
»Der Chef ist ein guter Freund von mir. Wir könnten alle zusammen hingehen, wenn Sie Lust haben.«
»Mit mir braucht ihr nicht zu rechnen«, sagte Chib zu einem Olivenbaum, der seine silbrige Mähne im Wind schüttelte. Das Palladio war immer gerammelt voll, man konnte sein eigenes Wort nicht verstehen, die Getränke kosteten ein Vermögen, und beim Gehen hatte er jedes Mal das Gefühl, sein Herz würde explodieren.
»Hat Ihr Freund Sie nicht begleiten können?«
»Nein, er hat einen Anruf bekommen. Ein
Weitere Kostenlose Bücher