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Schneller als der Tod erlaubt. Ein Rettungssanitäter berichtet

Schneller als der Tod erlaubt. Ein Rettungssanitäter berichtet

Titel: Schneller als der Tod erlaubt. Ein Rettungssanitäter berichtet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Lehmacher
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ruft er uns zu.
    Dann setzt sich das Polizeiauto in Bewegung und verschwindet ein paar Meter weiter in der Straße, in der Herr Gantenbein wohnt.
    Zurück im Auto stecke ich das tragbare Sprechfunkgerät zurück in die Halterung und nehme den Hörer aus der Konsole in die Hand.
    »Für uns dann ein Blinder«, melde ich der Leitstelle.
    »Blinder Alarm? Dann weiter Richtung.«
    Auf dem Weg zur Wache meint Dr. Lengenfelder: »Der war schon auch ›knuffig‹.«
    Ich nicke. »Ist doch seltsam, wie man sich in eine offenbar falsche Vorstellung so reinsteigern kann, dass man gar nichts mehr gelten lässt«, überlege ich laut.
    Dr. Lengenfelder schaut auf die Straße vor uns. »Wer weiß … Vielleicht hatte Herr Gantenbein ja recht, und nur die Welt und unsere Erinnerung wurde heute Nacht verändert. Vielleicht ist er der Einzige, der klar geblieben ist.«
    »Ja, das wäre natürlich auch eine Möglichkeit«, antworte ich und muss schmunzeln.
    Es ist inzwischen zwei Uhr, und tatsächlich wird es auch den Rest der Nacht noch ruhig bleiben. Tja – wer weiß … , denke ich beim Einschlafen in meinem Bett in der Wache.

In einer Nacht im Advent
    E s ist der zweite Adventssonntag. Seit Tagen hat es nicht mehr geschneit, die schmutzigen Reste des zusammengeschmolzenen Schnees liegen rechts und links der Straße. Es ist hundekalt, überall zwischen den Autos steigen die rot angeleuchteten Auspuffgase nach oben.
    Ich wollte heute wirklich etwas rechtzeitiger da sein, aber jetzt ist es schon wieder so spät geworden. Ich hätte früher losfahren sollen, doch dann habe ich zu Hause meine Sicherheitsschuhe nicht gleich gefunden, denn ich hatte sie im Keller abgestellt und nicht an der Garderobe wie sonst. Gerade als ich losfahren wollte, rief dann noch ein Freund an, den ich schon lange nicht mehr gesprochen hatte, und ich konnte das Gespräch nicht gleich beenden. Jetzt stehe ich im Stau, schon drei Ampelphasen lang, nur wenige Meter von der Wache entfernt. Immer wenn man spät loskommt, geht alles noch langsamer als sonst.
    Ich bin ja auch nur eingesprungen , versuche ich mich zu beschwichtigen. Eigentlich fahre ich fast nur noch NEF , doch David ist kurzfristig ausgefallen. Aber im Grunde genommen ist meine Entschuldigung nicht wirklich schlüssig, schließlich weiß ich schon seit heute früh, dass ich diesen Dienst habe.
    Vor mir sind noch drei Autos, wenn keiner pennt, müsste ich es mit der nächsten Ampelphase schaffen. Noch mal ein Blick auf die Uhr, dann nach vorn. Grün, aber nur der erste fährt drüber, der zweite bleibt stehen, und dann sehe ich auch schon, warum: Von links kommt erst der Rettungswagen und dann das Notarzteinsatzfahrzeug.
    Mist, die Kollegen. Nur zehn Minuten vor dem Schichtwechsel. Jetzt ist genau das passiert, was ich vermeiden wollte.
    Keine drei Minuten später fahre ich auf den Parkplatz, sehe einen der Kollegen von der Tagschicht gerade aus der Garage kommen.
    »Ey, wo warst du so lange?«, fragt er. »Fred hat schon gewartet, der stand die ganze Zeit rum und ist von einem Bein auf das andere gehüpft, der hat heute Abend irgendwas vor.«
    »Tut mir leid.«
    Ich schiebe mich an ihm vorbei, sehe die vollen Kaffeetassen, die auf dem Rollwagen hinter den leeren Parkplätzen in der Fahrzeughalle stehen, und gehe zügig in die Umkleide.
    »Ich hau dann auch gleich ab!«, ruft er mir nach.
    Das nächste Mal muss ich wirklich früher losfahren. Wieder einmal nehme ich mir vor, mir die Dinge, die ich zum Dienstantritt brauche, im Vorhinein zurechtzulegen. Und ans Telefon gehe ich auch nicht mehr, wenn ich los möchte.
    Schnell die leuchtrote Hose und das weiße Hemd angezogen. Ein überflüssiges Gefühl von Eile, jetzt wird es wohl dauern, bis die wieder da sind. Dann ziehe ich mir die Jacke mit dem Leuchtschild »Rettungsdienst« über und stecke noch schnell meinen Geldbeutel und mein Handy in die Tasche.
    Ein Blick in den Spiegel: Aus dem Privatmann ist mal wieder der Rettungsdienstmitarbeiter geworden.
    Ein eigenartiges Gefühl, man beginnt und beendet seinen Dienst fast immer gleich, hier vor den grauen Schränken. Wo ich in der Nacht in dieser Dienstkleidung wohl noch landen werde? Wer unsere Hilfe braucht? Welche Aufgaben warten diesmal auf mich, nur die mehr oder weniger bekannte Routine oder auch solche Einsätze, die man heimlich fürchtet? Als »Ehrenamtlicher«, der nicht so oft fährt, vielleicht sogar noch mehr als die Kollegen, die das beruflich machen und fast täglich unterwegs sind.

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