Schnupperküsse: Roman (German Edition)
hat mir seine Rechnung noch nicht geschickt, und die Tierarztkosten muss ich auch noch bezahlen, wenngleich mir Alex eine Ratenzahlung über die nächsten sechs Monate angeboten hat. Abgesehen davon war das Geld keine Verschwendung, denn Bracken geht es besser.
Ich bin mir sicher, meine Abbitte geleistet zu haben, denn ich kümmere mich um sie, während sie sich erholt. Inzwischen wird sie langsam richtig mürrisch, denn sie möchte wieder unbedingt aus ihrem engen Stall hinaus auf die Koppel. Alex hat uns empfohlen, ein Gewichtsband zu kaufen, um ihre weitere Genesung überwachen zu können, und vorgeschlagen, sie zweimal am Tag für zehn Minuten herauszulassen, damit sie etwas grasen kann.
»Legen Sie ihr das Zaumzeug an, wenn sie sie herauslassen«, sagte er, »und seien Sie vorsichtig. Sie wird sich am Anfang ein bisschen närrisch aufführen.«
Närrisch? Sie schnappte völlig über, so dass ich sie nicht halten konnte. Ein Glück war das Tor zur Koppel zu, doch stattdessen raste sie schnurstracks zum Rasen. Es dauerte eine Stunde, bis ich sie wieder eingefangen hatte, wobei eine Schüssel Futter als Lockmittel diente. Als ich sie dann wieder zurück in den Stall brachte, trat sie mir auf den Fuß, was äußerst schmerzhaft war, denn der Schmied hatte ihr besondere Schuhe angepasst, die mehr als einhundert Pfund gekostet hatten.
»So viel gebe ich noch nicht einmal mehr für Schuhe aus«, hatte ich zu Georgia gesagt.
»Es sind aber doch zwei paar Schuhe«, war Georgias Rechtfertigung gewesen. »Sie braucht sie, wenn Maria beginnt, sie zu trainieren. Alex meinte, wir könnten sie wieder reiten, und wenn sie gesund bleibt, kann ich mit ihr in den Ponyklub gehen«, und ihre Augen strahlten vor Vorfreude.
Ich hoffe, sie wird keine Enttäuschung erleben, denn wenn David den Streit um das Sorgerecht gewinnt, werde ich nicht hierbleiben, das habe ich mittlerweile beschlossen. Und ein Pony kann ich schlecht nach London mitnehmen.
Inzwischen freue ich mich sogar, Bracken versorgen zu müssen. Es ist, als würde ich mir eine tägliche Auszeit nehmen, wenn ich ihr das Heunetz aufhänge und sie abreibe oder bürste, während Georgia in der Schule ist. Manchmal spreche ich sogar mit ihr, so wie ich es auch mit Lucky tue, und teile mit ihr meine intimsten Gedanken über Exmänner, das Familienrecht und die Frage, wie lange ich Guy noch warten lassen kann.
Für den darauffolgenden Freitag mache ich einen zweiten Termin mit meinem Anwalt in Talyton aus. Den Donnerstag davor haben die Kinder frei, da die Lehrer auf einer Fortbildung sind. So stehe ich am Tor zur Koppel, und mir wird bang ums Herz, als ich sehe, wie Maria Georgia auf das Pony hilft. Es ist das erste Mal seit dem Abwurf, dass sie wieder reitet. Maria hat das Pony zwei Mal geritten, ohne dass sie bockte – bis jetzt.
Maria tritt zur Seite und hält die Longe fest, die an Brackens Halfter angebracht ist.
»Los!«, sagt sie und lässt eine lange Peitsche in Richtung der Hufe des Ponys schnalzen.
»Jetzt könnte sie am ehesten buckeln, Georgia. Also vergiss nicht zu atmen. Du kannst auch singen, wenn dir das hilft, dich zu entspannen.« Bracken geht in einem großen Kreis. »Brrr!«
Bracken hält an. Georgias Gesicht hellt sich auf.
»Gutes Mädchen«, sagt sie und streichelt ihr den Hals.
»Ich kann’s kaum glauben!«, rufe ich aus.
»Wir stehen noch am Anfang, aber sie macht sich.« Maria dreht sich zu mir um und lächelt. »Wir legen ihr die anderen Zügel an und lassen sie dann mal traben.« Sie schaut an mir vorbei. »Hallo, Guy.«
»Hallo, Maria«, grüßt er sie zurück, stellt sich neben mich und lehnt die Arme über das Tor. Er trägt einen Wachsmantel, dessen Kragen er hochgeschlagen hat und von dem ein eigenartiger Geruch ausgeht, der mich an die Mottenkugeln meiner Mutter erinnert. »Geht’s dir gut?«, fragt er mich
»Man lebt!«
»Ich hoffe, es macht dir nichts aus, dass ich mit Fifi ausgemacht habe, die Bäume in deinem Obstgarten zu besingen und auf ihr Wohl zu trinken. Sie meinte, sie würde sich bei dir melden und alles weitere mit dir besprechen.« Guy grinst, als er meinen völlig verwirrten Gesichtsausdruck sieht. »Du hast keinen blassen Schimmer, wovon ich spreche, stimmt’s?«
»Stimmt.«
»Das Besingen der Bäume gehört zu einer der vielen Traditionen von Talyton St. George.«
»Und ist eine Ausrede, um wieder mal zu feiern und ein paar Bierchen zu trinken«, werfe ich mit einem zaghaften Lächeln ein. »Guy, ich
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