Schnupperküsse: Roman (German Edition)
stur sein«, erklärt mir Guy und senkt seinen Stock. »Manchmal bewirkt ein ordentlicher Klaps auf den Hintern Wunder.« Und er sieht mich an, als würde er das Gleiche gerne einmal bei mir tun, dafür dass ich mich eingemischt habe. Dann wendet er sich wieder den Kühen zu, die einsehen, dass es wohl das Beste für sie sein wird, sich zu bewegen. Ich sehe, wie sie vor Guy davonziehen, der demonstrativ das Tor hinter sich verriegelt, während die Kühe sich gemütlich auf den Weg hoch zum Hof machen, wo sie wahrscheinlich gemolken werden.
»Der Mann ist aber gar nicht nett, Mummy, oder?«, meint Sophie und hüpft durch das Gras zu mir. Georgia geht in Gedanken versunken hinter ihr her.
Ich muss Sophie zustimmen. Guys Eindringen hat mein ländliches Idyll eher zerstört. Was ist nur aus all den netten Einheimischen aus den Tagen meiner Kindheit geworden? Der fröhliche Bauer zum Beispiel, der den Campingplatz oben auf den Klippen von Talysands betrieb und mich und meine Schwester immer zu den Kälbern in seinem Kuhstall mitnahm, die er hinter den Ohren kitzelte und an den Seiten kratzte, aber nie schlug. Dann fragte er meine Schwester, wie viele Kälber da wären, und sie antwortete, eins würde fehlen, da sie ihm gegenüber nicht zugeben wollte, dass sie noch nicht zählen konnte. Und er machte mit und tat so, als würde er das fehlende Kalb suchen.
Könnte man sich seine Nachbarn aussuchen, wäre meine Wahl bestimmt nicht auf jemanden wie Guy gefallen. Auch wenn sich mein erster Eindruck durch unser nochmaliges Aufeinandertreffen bestätigt hat, wünsche ich mir dennoch, ich hätte ihn vor den Kindern nicht als Bauerntölpel bezeichnet. Wenngleich ich nicht das Verlangen verspüre, größeren Kontakt mit ihm pflegen zu wollen, wäre es schön, gut miteinander auszukommen, denn ich werde ihm nicht aus dem Weg gehen können.
3
Sultaninenkuchen
Den Tag nach meiner gefährlichen Begegnung der tierischen Art verbringen Mum und ich damit, noch mehr Kisten auszupacken und Ordnung zu schaffen, bevor ich mich entschließe, den AGA einem Test zu unterziehen. Sollte ich nicht mit ihm klarkommen und wir keine Freunde werden, hätte ich immer noch genügend Zeit, ihn durch etwas anderes zu ersetzen.
Ich kann von der Küche aus sehen, wie Dad das Gras und die Brombeersträucher mit der Motorsäge zurechtstutzt, während Adam die Büsche – Holunder, Sommerflieder und Unmengen von violett-rosa blühenden Malven – hinten im Garten schneidet. Dad legt häufiger eine Pause ein, um das Ende der Motorsäge zu überprüfen, die ihrer Aufgabe nicht wirklich gewachsen ist. Ich habe sie früher in unserem alten Haus nur zum Trimmen der Rasenkanten benutzt, für alles andere brachte der Gärtner immer seine eigenen Geräte mit. Die Motorsäge gehörte zu jenen Dingen, wegen der David und ich uns nicht stritten – er und Alice sind in eine luxuriöse Wohnung ohne Garten, dafür aber mit Blick auf die Themse gezogen.
Während ich Adam bei seiner Arbeit zuschaue, frage ich mich, wie er sich inzwischen fühlt. In seiner knallbunten Kleidung – orangefarbenes T-Shirt und karierte Shorts – sieht er wie ein exotischer Vogel aus, der auf seinem Weg in wärmere Gefilde aus Versehen hier gelandet ist. Er muss wieder in die Schule, um Anschluss zu finden, doch bis dahin dauert es noch vier Wochen.
»Mach dir um die Kinder keine Sorgen, mein Schatz«, sagt Mum. »Die werden hier schon glücklich!«
»Das hoffe ich«, seufze ich.
»Was wirst du heute backen?«
»Nichts Außergewöhnliches. Ich dachte, vielleicht einen Sultaninenkuchen. Dad hat alle Zutaten mitgebracht, außer Zitrone, doch die brauche ich nicht unbedingt.«
»Ich bringe dir Mehl und Zucker.« Mum öffnet die Tür zur Speisekammer und sucht in den Regalen. Mir fällt auf, wie sie den Bund ihrer grauen Hose immer wieder umschlägt.
»Mum, hast du eine Diät gemacht?«, frage ich.
»Nein, Diäten sind nichts für mich«, sagt sie und kehrt mit diversen Paketen aus der Speisekammer zurück. »Das kommt davon, dass ich so viel hinter dir und meinen Enkeln herrennen muss.« Sie schaut mich mit zusammengekniffenen Augen an. »Mach dir um mich keine Sorgen! Ich bin topfit.«
Doch ich mache mir Sorgen, und das sollte ich auch, denke ich, denn ab jetzt werden wir uns nicht mehr wie früher alle ein bis zwei Tage, manchmal sogar noch häufiger, sehen, da ich mehr als hundert Meilen von ihr entfernt lebe. Ich öffne mehrere Küchenschränke auf der Suche nach den
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