Schnupperküsse: Roman (German Edition)
wusste, sie würde mir eine Standpauke halten.
»Bist du dir sicher, du machst das nicht nur, um es David heimzuzahlen?«
Ich presste die Hände gegen die Ohren.
»Tut mir leid, Jennie, wenn du das nicht hören willst, aber ich muss das ansprechen. Willst du auf diese Weise Rache nehmen?«
Ich konnte ihr die Frage nicht beantworten, da ich mir selbst nicht sicher war, ob doch ein Fünkchen Wahrheit daran war. Ich wollte mit meiner Familie nach Devon ziehen, um meinen Traum zu leben, was jedoch unweigerlich bedeutete, dass es für David schwieriger werden würde, seine Kinder zu sehen.
»Das ist eine ganz schön lange Fahrt für ihn an einem Freitagabend, um seine Kinder abzuholen und sie am Sonntag wieder zu bringen«, unterstrich Karen. »Er wird von dir erwarten, dass ihr euch auf halber Strecke trefft.«
»Genau das habe ich vor. Ich habe über alles gründlich nachgedacht, Karen, und ich verstehe nicht, warum du dich nicht für mich freust.« Ich hatte endlich das Gefühl, wieder an die Oberfläche zu gelangen, nachdem ich in ein Loch der Verzweiflung gefallen war. »Bist du wirklich so schockiert?«
»Ja, das bin ich, Jennie. Normalerweise bist du so vernünftig.«
»Ich habe genug davon, vernünftig zu sein!« Wäre ich nicht so vernünftig und beherrscht gewesen, hätte ich David vielleicht schon vorher verlassen und ein anderes, glücklicheres Leben geführt. »Egal, es fühlt sich für mich richtig an. Und wenn es nicht klappt, kann ich immer noch zurückkommen.«
»Na, mit der Einstellung kannst du direkt hierbleiben. Das hört sich so an, als würdest du bereits davon ausgehen, wieder hier zu landen … wozu dann überhaupt erst wegziehen? Jennie, du machst das aus einer Laune heraus. Bitte, überstürz nichts! Du begehst den größten Fehler deines Lebens!«
Mir war klar, dass das nicht sein könnte, denn der größte Fehler meines Lebens war es gewesen, David zu heiraten.
»Und was ist mit Mum und Dad?«, hakte Karen nach. »Sie werden am Boden zerstört sein.«
Sie zurückzulassen machte mir wirklich etwas aus.
»Sie können die Ferien bei uns verbringen – du weißt doch, wie gerne sie Devon mögen«, antwortete ich ihr. »Schau Karen, ich bin vierzig und habe noch nichts aus meinem Leben gemacht.« Ich sah, wie meine Schwester die Stirn runzelte. Sie verstand mich nicht. »Ich muss das tun.«
»Was ist mit den Kindern?«
»Ich möchte, dass sie mehr Freiraum haben und draußen in den Hecken Brombeeren suchen gehen können.«
»Man kann auch die Mülltonnen hinter Tesco durchstöbern, wenn’s unbedingt sein muss«, warf Karen ein. »Ich finde dieses ganze Gerede über die Rückbesinnung zur Natur völlig überbewertet.«
»Sollen wir hineingehen?«, frage ich und kehre zurück in die Gegenwart. »Wenn ihr wollt, könnt ihr eure Sachen schon aus den Autos holen und ins Haus bringen.« Ich bitte Adam, die Kinder mit Getränken und Kuchen zu versorgen, während ich die Erwachsenen nach vorne ins Haus begleite, um ihnen die mit Eiche vertäfelte Diele zu zeigen.
»Ich kann mir vorstellen, dass es im Winter zieht«, meint Karen.
»Das kann ich noch nicht sagen.« Ich öffne die Haustür. »Zurzeit ist es sehr nett und kühl hier drinnen. Kommt herein!«
»Ich möchte zuerst den AGA sehen«, verkündet Karen.
»Und ich möchte lieber eine Flasche köpfen«, lässt Hugo uns wissen. »Ich könnte einen Schluck vertragen.«
»Hier ist Apfelwein, und im Kühlschrank steht Weißwein«, sage ich widerstrebend. Ich würde gerne ein Glas Wein trinken, um die Feier in Gang zu bringen, aber nach dem Vorfall auf Dads siebzigstem Geburtstag möchte ich Hugo lieber so lange wie möglich vom Alkohol fernhalten.
»Oh nein, ich glaube ein Tag wie dieser hier verlangt nach Champagner«, erwidert er grinsend. »Ich habe sechs Flaschen Bollinger gekauft, die meinen –«
» Unseren Beitrag zu dieser Party darstellen«, korrigiert ihn meine Schwester schnell.
»Ich hoffe, du hast nicht vor, dich heute Abend zu betrinken«, sage ich mit lockerem Tonfall in der Stimme.
»Als ob ich das je tun würde«, entgegnet er mir und sieht mich für den Bruchteil einer Sekunde zu lange an.
»Zur Küche geht’s hier lang«, sage ich und gehe vor.
»Ich denke darüber nach, einen AGA anzuschaffen, wenn unsere Küche fertig ist«, sagt Karen und schaut ihren Mann an, als sie den Herd näher in Augenschein nimmt. »Er sieht toll aus, oder? Richtig Retro.«
»Retro wie in retrospektiv oder retrogressiv?«, fragt
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