Schockwelle
Pitt und Giordino unbedingt nähere Einzelheiten erfahren, doch beide waren so müde, daß sie lediglich eine kurze Zusammenfassung der aberwitzigen Ereignisse liefern konnten.
Sandecker wußte, daß er sie nicht drängen durfte.
Vollständige Berichte konnten auch später noch verfaßt werden.
Er winkte sie zu den freien Sesseln. »Setzt euch, damit wir an die Arbeit gehen können.«
Gunn deutete auf eine der blauen Kugeln, die über dem Tischende zu schweben schienen. »Die letzte Todeszone«, sagte er. »Ein indonesischer Frachter namens
Mentawai
mit achtzehn Mann Besatzung.«
Pitt wandte sich an den Admiral. »Das Schiff, das explodiert ist, als das Prisenkommando an Bord war?«
»So ist es«, sagte Sandecker nickend. »Außerdem – aber das habe ich Ihnen ja schon gesagt, als Sie noch an Bord der
Ice Hunter
waren – liegt uns eine Meldung von einem Öltanker vor, der übrigens ungeschoren davonkam. Demnach wurde die Luxusdschunke des Schauspielers Garret Converse im selben Seegebiet gesichtet. Seither ist die Dschunke offenbar mit Mann und Maus verschollen.«
»Keine Satellitensichtung?« erkundigte sich Giordino.
»Die Wolkendecke ist zu dicht, und eine Dschunke ist zu klein, um von den Infrarotkameras erfaßt zu werden.«
»Eins
sollten
wir aber bedenken«, sagte Giordino. »Der Kapitän des amerikanischen Containerschiffs, das die
Mentawai
gefunden hat, berichtete von einer Luxusjacht, die sich mit hoher Geschwindigkeit aus dem fraglichen Seegebiet entfernt hat. Er möchte nicht unbedingt einen Eid darauf schwören, aber er ist sich ziemlich sicher, daß die Jacht sich in unmittelbarer Nähe der
Mentawai
befand, ehe er auf den Notruf des Frachters reagierte und dort eintraf. Außerdem glaubt er, daß diese Jacht irgend etwas mit der Explosion zu tun hat, der sein Prisenkommando zum Opfer gefallen ist.«
»Klingt, als hätte der gute Käpt’n eine etwas zu lebhafte Phantasie«, warf Yeager ein.
»Wer behauptet, der Mann sieht Gespenster, irrt sich gewaltig.
Kapitän Jackson Kelsey ist ein äußerst verantwortungsbewuß ter Seemann, dessen Können und Zuverlässigkeit allgemein anerkannt werden.«
»Hat er eine Beschreibung der Jacht geliefert?« fragte Pitt.
»Als Kelsey auf die Jacht aufmerksam wurde, war sie schon zu weit entfernt, als daß er sie hätte identifizieren können. Sein Zweiter Offizier allerdings hat sie vorher durchs Fernglas beobachtet, als sie noch nicht so weit weg war.
Glücklicherweise ist er Hobbymaler. Zeichnet mit Vorliebe Schiffe und Boote, wenn sie im Hafen liegen.«
»Er hat ein Bild von ihr gemalt?«
»Er räumt ein, daß er sich ein paar Freiheiten herausgenommen hat. Die Jacht entfernte sich, so daß er eigentlich nur das Achterschiff erkennen konnte. Aber er konnte uns eine einigermaßen originalgetreue Skizze von der Rumpfform liefern. Anhand dieser Zeichnung sollte man die Werft aufspüren können, auf der sie gebaut wurde.«
Sandecker zündete sich eine Zigarre an und nickte Giordino zu.
»Al, wollen Sie nicht die entsprechenden Erkundigungen einholen?«
Giordino zückte seinerseits seelenruhig eine Zigarre, das genaue Gegenstück zu Sandeckers, rollte sie langsam zwischen Daumen und Zeigefinger und hielt ein Streichholz ans hintere Ende. »Ich nehm’ die Spur auf, sobald ich mich geduscht und umgezogen habe.«
Giordinos Dreistigkeit verblüffte Sandecker stets aufs neue, zumal dem Admiral absolut schleierhaft war, wie er die Zigarren aus seinem Privatvorrat stibitzte. Seit Jahren spielten sie schon Katz und Maus miteinander, ohne daß ihm Sandecker auf die Schliche gekommen wäre. Und er war zu stolz, um Giordino einfach zur Rede zu stellen. Am meisten aber wurmte den Admiral, daß bei seinen regelmäßigen Bestandsaufnahmen nie eine Zigarre fehlte.
Pitt spielte mit einem Notizblock herum und wandte sich, ohne aufzublicken, an Yeager. »Also, Hiram, sag es mir. Hat meine Idee, daß es sich um tödliche Schallwellen handeln könnte, irgendwas gebracht?«
»Eine Menge sogar, wie sich herausstellte«, erwiderte Yeager.
»Die Akustikexperten sind noch dabei, die Sache zu untermauern, aber es sieht so aus, als hätten wir es hier mit einem ›Killer‹ zu tun, der sich unter Wasser ausbreitet und aus mehreren Elementen besteht. Es gibt da viele Aspekte, die wir noch untersuchen müssen.
Erstens die Energiequelle, mit der sich derart starke Wellen erzeugen lassen. Zweitens die Fortpflanzung, das heißt: Wie breiten sich diese Wellen unter Wasser aus?
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