Schockwelle
den von ihrer jeweiligen Vorgängerin hinterlassenen Veränderungen einverstanden gewesen.
Glücklicherweise blieb er auch anschließend mit allen gut befreundet. Sie genossen seine Gesellschaft, aber auf eine Ehe mit ihm hätte sich keine eingelassen.
Er war keineswegs schlampig im Haushalt, und er konnte auch einigermaßen gut kochen, aber er war selten daheim. Wenn er nicht gerade im Zuge immer neuer Unterwasserprojekte mit Pitt um die Welt düste, ging er seiner Lieblingsbeschäftigung nach und begab sich auf Suchexpeditionen, sei es nach verschollenen Schiffen, Flugzeugen oder Menschen. Er brachte es einfach nicht fertig, sich abends im Wohnzimmer vor den Fernseher zu setzen oder ein Buch zu lesen. Giordinos Gedanken schweiften stets in die Ferne, und nur selten galten sie der jeweiligen Frau an seiner Seite, was diese maßlos wurmte.
Er warf seine schmutzige Kleidung in die Waschmaschine und stellte sich kurz unter die Dusche. Dann packte er eine Reisetasche, fuhr zum Dulles International Airport und buchte einen Frühabendflug nach Miami. Dort angekommen, mietete er sich einen Wagen, fuhr ins Hafenviertel und stieg in einem unmittelbar am Kai gelegenen Motel ab. Anschließend schlug er im Branchenfernsprechbuch nach, suchte die auf private Motorjachten spezialisierten Schiffbauingenieure heraus und notierte sich die Namen, Adressen und Telefonnummern. Dann klemmte er sich ans Telefon.
Die ersten vier waren bereits nach Hause gegangen, so daß er nur den Anrufbeantworter erreichte, doch der fünfte meldete sich persönlich. Giordino war nicht überrascht. Er hatte damit gerechnet, daß der eine oder andere Überstunden machte, weil er die Konstruktionspläne für das schwimmende Heim eines reichen Auftraggebers rechtzeitig fertigstellen wollte.
»Mr. Wes Wilbanks?« erkundigte sich Giordino.
»Ja, hier spricht Wes. Womit kann ich Ihnen zu so später Stunde dienen?« Der Mann sprach mit weichem, gedehntem Südstaatenakzent.
»Ich heiße Albert Giordino und bin von der National Underwater und Marine Agency. Ich brauchte Ihre Hilfe bei der Suche nach dem Hersteller eines bestimmten Bootes.«
»Liegt es hier in Miami?«
»Nein, Sir. Es könnte sonstwo sein.«
»Klingt ja sehr mysteriös.«
»Ist es auch, mehr als Sie ahnen.«
»Ich bin morgen gegen zehn Uhr in meinem Büro.«
»Die Sache eilt etwas«, sagte Giordino ruhig, aber bestimmt.
»Okay, ich mach’ in etwa einer Stunde Feierabend. Warum kommen Sie nicht einfach hierher? Haben Sie die Adresse?«
»Ja, aber ich kenne mich in Miami nicht aus.«
Wilbanks erklärte Giordino den Weg. Das Büro des Schiffbauingenieurs war nur ein paar Straßen entfernt, daher speiste Giordino in einem kleinen kubanischen Cafe rasch zu Abend, brach dann zu Fuß auf und hielt sich an die Anweisungen, die er telefonisch erhalten hatte.
Der Mann, der ihm die Tür öffnete, war Anfang Dreißig, ziemlich groß und trug Shorts und ein geblümtes Hemd.
Giordino war über einen Kopf kleiner. Wilbanks sah gut aus und hatte volles, an den Schläfen ergrauendes Haar, das er nach der neuesten Mode glatt nach hinten kämmte. Dem Äußeren nach zu schließen, so befand Giordino, trieb er sich eindeutig in Jachtsportkreisen herum.
»Mr. Giordino, ich bin Wes Wilbanks. Freut mich, Ihre Bekanntschaft zu machen.«
»Danke, daß Sie mich noch empfangen.«
»Kommen Sie rein. Möchten Sie einen Kaffee? Heute morgen gebraut, aber durch den Zichorienzusatz behält er sein Aroma.«
»Liebend gern.«
Wilbanks führte ihn in ein Büro mit Hartholzboden. Die eine Wand säumten Regale, in denen sich Fachbücher über Jacht-und Bootsbau stapelten. An der anderen Wand waren zahlreiche Halbmodelle von Booten angebracht, die vermutlich anhand von Wilbanks’ Plänen gebaut worden waren. Mitten im Zimmer stand ein großer, alter Zeichentisch, und auf einem Podest vor dem Panoramafenster mit Blick auf den Hafen befand sich ein Schreibtisch mit einem Computer.
Giordino nahm die Kaffeetasse entgegen und legte die vom Zweiten Offizier des Containerschiffes
Rio Grande
angefertigten Skizzen auf den Zeichentisch. »Ich weiß, daß die nicht viel hergeben, aber ich hoffe, Sie können mir trotzdem einen Tip geben, wer diese Jacht gebaut haben könnte.«
Wilbanks musterte die Zeichnungen, wobei er den Kopf bald auf die eine, bald auf die andere Seite legte. Nach gut einer Minute rieb er sich das Kinn und schaute über das Blatt hinweg.
»Auf den ersten Blick könnte man meinen, es handelt sich um
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