Schön scheußlich
gesamten Tierreich dazu beiträgt, eine sich teilende Zelle zu zwei Tochterzellen auseinander zu ziehen. Auch das Gen, das einer primitiven, formlosen Zelle den ersten Anstoß in Richtung Form und Funktion einer Nervenzelle verpasst, hat man erstmals in C.elegans nachgewiesen. Wenn überhaupt Hoffnung besteht, das Nervensystem verstehen zu lernen, dann indem wir den Signalen auf die Schliche kommen, die dieses überhaupt erst nervig machen.
Doch bei allem überschwänglichen Lob, das die Nematologen ihrem Haustier jetzt schon zollen, prophezeien diese Forscher, dass die besten Entdeckungen erst noch kommen. Die zelluläre und neurale Anatomie des Wurms ist geklärt, seine physikalische Karte komplett, seine DNS-Sequenz entschlüsselt. Caenorhabditis elegans mag im Schlamm geboren sein, doch eine Zukunft als Star der biologischen Szene ist ihm sicher.
10.
Die Verpackung der DNS
Zu voller Länge aufgedröselt, erreicht ein einzelnes DNS-Molekül des Menschen eine Länge von über einem Meter, das entspricht der durchschnittlichen Größe eines dreijährigen Kindes. Zusammengefaltet, verknäuelt und an seinem rechtmäßigen Platz im Herzen der Zelle, im Zellkern, verstaut, hat das Molekül des Lebens allerdings nur noch einen Durchmesser von einem Hunderttausendstel Zentimeter.
Das außerordentliche Kunststück, lange, klebrige Stränge genetischen Materials auf einem Fleck zusammenzufalten, der so klein ist, dass er nicht einmal in Manhattan als Kleiderschrank in Frage käme, wird in erster Linie von den Histonen vollbracht, einer Proteinfamilie mit fünf Mitgliedern, die allesamt die DNS umschließen und sie zu handlicher Größe zusammenzupressen vermögen. So bemerkenswert dieser Komprimierungsakt auch ist, man hat die Histone lange Zeit hindurch als öde Strukturelemente abgetan, als Komponenten von wenig Belang, als das biochemische Äquivalent von Muttern, Bolzen und Gummibändern, die das über alles erhabene genetische Molekül in geeignete Dimensionen bringt.
Inzwischen häufen sich die Beweise dafür, dass die Proteine weit mehr tun, als nur die möglichst ökonomische Verpackung von DNS zu gewährleisten. Es hat sich gezeigt, dass Histone aufs Engste mit einer der wichtigsten Lebensaufgaben verknüpft sind: dem An-und Abschalten der auf der DNS aufgereihten Gene, und dies in exquisiter, perfekt arrangierter zeitlicher und räumlicher Abstimmung. Der Steuerung der Gen-Aktivität verdanken wir es, dass jede Zelle die für sie typischen Aufgaben erfüllen kann: Gallensäuren ausschütten beispielsweise, so es sich um eine Zelle der Gallenblase handelt, oder Stoffwechselhormone, wenn die Zelle der Schilddrüse angehört. Bei der Kontrolle der Gen-Aktivität ringen die Histone als eifersüchtige Konkurrenten mit anderen Proteinen um die Verbundenheit mit der DNS. In manchen Fällen, wenn sich dem Lebensmolekül gewisse Proteine nähern, die man als Transkriptionsfaktoren bezeichnet und deren Bestimmung es ist, sich an ihm festzusetzen und . rasch eine Runde Gen-Aktivität anzuwerfen, müssen diese zunächst einmal die Histone überbieten, die dort bereits, wenn man so will, mit gekreuzten Armen und dem finsteren Blick des Türstehers die Stellung halten. Erst unter biochemischen Bedingungen, die höchsten Ansprüchen genügen, bequemen sich die Histone, genügend Platz freizugeben, damit der bettelnde Transkriptionsfaktor zur DNS vordringen und seine Botschaft übermitteln kann. Bei einer Zellart lockern die Histone ein bestimmtes Stück eines Chromosomenstrangs vielleicht ein bisschen auf und kehren es in Vorbereitung auf künftige Aufgaben der Mitwelt zu. Bei einer anderen Zelle ist dasselbe Stück unter Umständen weggeschlossen, verstaut, so gut wie tot. Histone scheinen eine besonders entscheidende Rolle zu spielen, wenn es darum geht, Gene abgeschaltet zu halten. Zwar mögen die meisten Menschen Inaktivität als eine Art Nullzustand betrachten, zu dem nichts weiter gehört als der Mangel an Input, doch es hat sich gezeigt, dass Gene, so sie nicht von Histonen entschlossen unterdrückt werden, auf einem geringen, aber für die Zelle potenziell tödlichen Niveau weiterarbeiten würden. Abgeschaltet zu sein und zu bleiben ist ein höchst aktiver Prozess, und die Histone schuften nicht weniger emsig, um die Gene in ihren Schranken zu halten, als jener kleine holländische Junge, der mit seinen bloßen Händen den Deich vor dem Durchbrechen bewahrte.
Wenn sie erst einmal verstehen, wie es der
Weitere Kostenlose Bücher