Schön scheußlich
kleine Clan der Histonproteine fertig bringt, in den Billionen Zellen eines Körpers den Ton anzugeben und das Ausmaß der Gen-Expression zu regulieren, wird sich, so hoffen Wissenschaftler, womöglich auch der eine oder andere Fingerzeig zur Lösung des großen Rätsels ergeben, woher eine Zelle überhaupt weiß, wer sie ist, wann sie sich zu teilen hat und wann ihr Ende gekommen ist.
Mehr Wissen über das Verhalten von Histonen und die Architektur von DNS trägt letztendlich vielleicht auch dazu bei, die Mechanismen hinter manchen Krankheiten offen zu legen. Bei einer relativ häufigen Klasse von Blutkrankheiten, den Thalassämien beispielsweise, gibt es eine Form, die aus einer gestörten Windung der DNS resultiert und höchstwahrscheinlich auf Unregelmäßigkeiten in den Histonen zurückzuführen ist. Und da Krebs eine Krankheit fehlgeleiteter Gen-Aktivitäten und gestörter Zellteilung ist, hält man Fehlleistungen der die DNS schützenden Histonproteine auch für . einen bedeutenden Schritt bei der malignen Entartung.
Doch die Wissenschaftler interessieren sich für Histone auch aus Gründen, die sehr viel näher liegen als die Suche nach irgendeinem Nutzwert, denn diese Proteine haben ihnen ein weiteres ergiebiges Streitthema verschafft. Nicht jeder ist bereit zu akzeptieren, dass Histone mehr wert sind als ein abschätziges Naserümpfen, was auch immer die Daten sagen mögen. Ein Großteil des Desinteresses für Histone hat historische Gründe. Die Revolution in unserem Wissen um die Funktionsweise von Genen begann mit der Untersuchung von Bakterien wie E. coli, deren DNS ganz anders gepackt ist als die DNS höherer Organismen. Bakterien-DNS schwimmt lose im zähflüssigen Meer der Zelle - weder ist sie in einem Zellkern im Zentrum der Zelle geschützt verwahrt, noch ist sie von Histonen umgarnt. Wenn Bakterien ohne Histone klarkommen, warum dann so ein Theater um diese Proteine machen? Auch bei der Untersuchung der DNS höherer Wesen begannen die Wissenschaftler häufig ihre Experimente damit, dass sie das genetische Material seiner Histone entkleideten und es solchermaßen entblößt in ein Reagenzglas warfen. Dann untersuchten sie das Verhalten spezieller Proteine, die DNS kopieren und aktivieren. Diese gute alte Reagenzglasmethode hat eine Menge Erkenntnisse über die Signale vermittelt, durch die das Kopieren einzelner Gene ausgelöst wird, doch in jüngster Zeit brandmarken viele Wissenschaftler diesen Ansatz als reduktionistisch, irreführend und in manchen Fällen schlicht falsch. Sie argumentieren, dass sich die DNS in ihrem Histongewand ganz anders benimmt als die entblätterte DNS, die man in vitro, das heißt in irgendwelchen Glasröhrchen, untersucht. Und sie sind der festen Überzeugung, dass tierische DNS im nativen Zustand - im Zellkern und zusammen mit all ihrem verwirrenden Zubehör - zu betrachten ist.
Als die Wissenschaftler genauer untersuchten, wie das genetische Material zu Chromosomen verpackt vorliegt, stellten sie fest, dass es sich seinem Wesen nach wie eine klobige Halskette aus Modeschmuck präsentiert, die zu gleichen Teilen aus Histonen und DNS besteht. Die einzelnen Perlen bestehen aus je vier Paaren von Histonproteinen, die zu einem kleinen Partikel namens Histon-Oktamer verbunden sind. Ein Strang aus 146 DNS-Untereinheiten, so genannten Basen, ist zweimal um das Oktamer herumgewickelt. Das Ganze bezeichnet man als Nukleosom, und es bildet den Grundbaustein der Chromosomen.
Verbunden sind die einzelnen Nukleosomenperlen über ein Stückchen Schnur aus etwa fünfzig weiteren DNS-Basen und Vertretern der fünften Sorte von Histonproteinen, deren Eigenschaften zu einer weiteren Verdichtung des Ganzen beitragen. Die alternierenden Abschnitte aus Perlen und Schnur werden wieder und wieder umeinander verknäuelt, verpackt, verdichtet und zusammengedrängt, wobei auch viele zusätzliche Nichthistonproteine in die Kette eingebaut werden. Es ist diese Anordnung, die das bemerkenswerte Verstauen eines meterlangen Moleküls auf einem winzigen Fleck möglich macht, und sie ist das, was alle Geschöpfe vereint, die in ihrer Komplexität über das Organisationsniveau einer Bazille hinausgehen. Ob Sie den Zellkern eines Menschen, einer Hefezelle, einer Hummel, eines Truthahns oder einer Maispflanze unter die Lupe nehmen - Sie werden stets die gleichen Histonproteine beobachten, wie sie die Luft aus dem Chromosom herauspressen.
Doch trotz solcher detaillierten Erkenntnisse über die
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