Schoener Schlaf
das glaubst du?«
»Ich werde der Sache nachgehen und mit Salieri reden«, versprach er. »Aber es ist schön, dass du hier bist, ich muss nämlich etwas sehr Wichtiges mit dir besprechen. Ich brauche deine Hilfe. Willst du einen Kaffee?«
Umständlich schilderte er die vergeblichen Bemühungen, Fabry mit den Frauenmorden in Verbindung zu bringen. SchlieÃlich rückte er mit dem entscheidenden Satz heraus: »Wir möchten dich bitten, Kontakt zu Fabry aufzunehmen.«
»Ich soll den Lockvogel spielen?«, fragte Anna verblüfft. »Ich habe gerade meinen Onkel verloren und weià Gott andere Dinge im Kopf.«
»Beruhige dich. Wir werden dich rund um die Uhr absichern.«
»Nehmt eine andere«, lehnte sie energisch ab. »Eine ausgebildete Polizistin. Ich habe nicht die Nerven für so was.«
»Fabry mag dich. Wenn in seinem Umfeld eine neue Frau auftaucht, schöpft er Verdacht«, wandte Kant ein.
»Und wenn er mich umbringt, wisst ihr, dass er es war, oder wie?«
»So weit lassen wir es nicht kommen«, versprach Kant.
»Was ist sein Motiv, Kant?«
»Das wissen wir natürlich noch nicht. Wir vermuten, seelische und körperliche Befriedigung. Maja Schneider und Belinda Stork wurden zwar nicht missbraucht, aber ich muss dir ja nicht erklären, dass es andere Arten der Triebbefriedigung gibt. Wer weiÃ, was Fabry in Jugend und Kindheit erlebt hat. Mit einer starken, umworbenen Künstlerin als Mutter ist das vaterlose Leben sicher nicht einfach. Als Erwachsener möchte er die Rollen tauschen. Er will nicht länger Opfer sein und sucht sich nun seinerseits Opfer. Eine Motivlage wie aus dem Lehrbuch für den Hobby-Psychologen.«
Anna überlegte. Ein paar Sekunden war es still. »Wenn ich zustimmen würde, was müsste ich dann tun?«, fragte sie dann.
»Er hat dir doch diesen Beileidsbrief geschrieben und dir seine Hilfe angeboten«, sagte Kant. »Nimm diese Hilfe einfach an. Frag ihn zum Beispiel, ob er dich zur Beerdigung begleitet.«
»Die ist doch schon morgen.«
»Dann käme es auf Eile an.«
»Ich hab ihn bei den letzten Kontakten ziemlich rüde abblitzen lassen. Darauf fällt er niemals rein. Und er weiÃ, dass wir beide uns gut kennen.«
»Er wird dir das verzeihen«, prophezeite der Kommissar.
»Das klappt nie. Ich finde den Mann abscheulich und das kann ich nicht verbergen. Er wird die Falle riechen«, meinte Anna.
»Unterschätze die Eitelkeit der Männer nicht. Wenn du einen halben Schritt auf ihn zumachst, wird er blind.«
Anna stimmte schlieÃlich zu und Kant konnte der Soko Kostüm mitteilen, dass der Lockvogel bald zum Flug ansetzen würde.
Kapitel 30
Leon Fabry gehörte nicht zu den Menschen, die viel Post bekamen. Umso erstaunter war er, dass ihm ein Bote ein Schreiben überbrachte. Fabry drehte den Umschlag um und las Annas Namen. Sie meldete sich!
Aufgeregt schlitzte er den Umschlag auf.
Lieber Herr Fabry,
danke für Ihren freundlichen Brief. Ich durchlebe gerade eine schwere Zeit. Mein Onkel, dem ich sehr zugetan war, war mein einziger Verwandter und ich fühle mich verwirrt und einsam. Auf die von Ihnen angebotene Hilfe komme ich gern zurück. Würden Sie mir bei der Beerdigung meines Onkels zur Seite stehen? Ich habe Angst, dass ich damit nicht allein fertig werde â¦
Sie hatte Ort und Zeit angegeben und mit Ihre Anna Stern unterzeichnet.
Fabry triumphierte. Seine Strategie war aufgegangen!
In der Not lernt man seine wahren Freunde kennen, dachte er zufrieden. Das hat Fräulein Stern jetzt auch begriffen. Lange genug hat es ja gedauert.
*
Es war, was die Bestatter eine kleine Leiche nennen: Nur wenige Menschen hatten sich in der Kapelle des Friedhofs eingefunden. Der karge Raum war für etwa zwanzig Leute bestuhlt, aber niemand setzte sich. Unter dem Kruzifix aus weiÃem Gips stand auf einem kleinen Podest die Urne. Aus verborgenen Lautsprechern klang leise Musik: Mozarts Requiem. Sucher, Meyer und Salieri schwiegen und wirkten andächtig. Anna betrachtete das einzige Bild, das gegenüber dem sterbenden Jesus an der Wand hing. Es zeigte die blau gewandete Madonna mit dem Knaben. Damit waren in der Kapelle Anfang und Ende des Lebens repräsentiert.
Kant trat ein. Seine Schritte hallten. Er begrüÃte die drei Herren mit stummem Handschlag und schaute dann zu Anna hinüber. Angelo bemerkte den Blick
Weitere Kostenlose Bücher