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Schönes Chaos: Mein wundersames Leben (German Edition)

Schönes Chaos: Mein wundersames Leben (German Edition)

Titel: Schönes Chaos: Mein wundersames Leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benoît B. Mandelbrot
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ableiten ließ. Ein Beobachter kann nicht angeben, welche der Daten sich auf Kurse beziehen, die von Woche zu Woche, Tag zu Tag oder Stunde zu Stunde schwanken. Diese Eigenschaft definiert die Kurstabellen als selbstaffine fraktale Kurven und macht viele starke Werkzeuge der mathematischen Analyse verfügbar. Fraktale – oder ihre spätere Weiterentwicklung, die Multifraktale – geben nicht vor, die Zukunft sicher vorhersagen zu können. Tatsächlich aber erstellen sie ein realistischeres Bild der Marktrisiken als die Beobachtung allein. Schließlich und höchst unerwartet verband ich diese Arbeit mit meiner älteren Theorie der Worthäufigkeiten, was mich zur fraktalen Geometrie der Rauheit führte.

Ist mein Modell von 1963 immer anwendbar?
    Mein Modell lässt sich nicht immer anwenden. In meinem ersten oben erwähnten Artikel über Preisänderungen verwies ich auf Bereiche, in denen das Thema nicht abgeschlossen war. Später im Leben wurde ich oft gebeten, über Preise zu sprechen. Einmal, als ich mich vor allem für den Wechsel zwischen laminaren und turbulenten Zonen in Flüssigkeiten interessierte, zeigte ich ein vertrauenswürdiges altes Dia mit Kursen. Dabei entdeckte ich – recht plötzlich – eine unheimliche Ähnlichkeit mit einem Merkmal der Turbulenz namens Intermittenz. Das war möglicherweise insofern keine vollkommen neue Idee, als der Bankier John Pierpont Morgan (1837–1913) angeblich behauptet hat, der Markt sei so wankelmütig wie das Wetter. Während ich meinen Vortrag fortsetzte, dachte ich mir, wie dumm ich doch gewesen sei. Ich wollte diesen Einfall zwar jetzt nicht sofort hinausposaunen, nahm mir aber vor, ihn mir näher anzusehen, sobald das möglich war. Und das machte ich dann auch.

Bringt die Ausbildung eines Doktoranden der Finanzwissenschaften eine Stelle in Chicago ein?
    Eugene F. Fama, ein Student der Graduate School of Business an der University of Chicago, besuchte mich oft. Wichtiger war, dass ich seinen Doktorvater Merton Miller (1923–2000) kennenlernte, der seine Kollegen der Business School davon überzeugte, mich einzustellen. Zunächst holte er mich nach Chicago – mit Aliette. Obwohl überall eine Menge Schnee lag, wurde mein Vortrag geradezu belagert, und abends folgte eine von Dekan George Shultz gegebene Party.
    Es war klar, dass man bereits ein Angebot vorbereitet hatte und einfach sehen wollte, wen man da eingekauft hatte. Während meines Besuchs verleitete mich mein völliger Mangel an Erfahrung mit US-Universitäten zu einem ausgesprochen kostspieligen und dummen Schritt. Ein schriftliches Angebot konnte immer gegen Vorteile andernorts »eingetauscht« werden – bei IBM, an der University of Chicago oder sonstwo –, aber ich hatte keinen Berater. Das Gespräch mit Dekan Shultz machte mir klar, dass alles, was die über mich wussten, aus einem Bericht von IBM stammte. Sie hatten nicht einmal meinen Lebenslauf gelesen und deshalb keine Ahnung, dass ich nicht nur ein frisch gesalbter Pionier der Finanzwissenschaften war, sondern auch noch ausgedehnte andere Interessen hatte. An dieser entscheidenden Weggabelung klärte ich sie dummerweise auf. Shultz war sehr freundlich und meinte, es sei wundervoll, dass sie mit einem einzigen Gehalt gleich mehrere unterschiedliche Professoren bekämen. Zurück in Boston, klingelte dann irgendwann das Telefon: George Shultz am Apparat. Er dankte mir für die wunderbare Vorlesung usw. usw. und kam dann auf den Punkt. Das Angebot werde zurückgezogen. Tatsächlich? Er hatte mehrere andere Abteilungen gefragt, ob sie sich an meinem Gehalt beteiligen wollten. Die Antwort lautete stets: Nein – sie kannten mich nicht einmal. Damit hatte er ein Problem, das der Fluch meines Lebens war: meine Neigung, die Grenzen wissenschaftlicher Disziplinen zu überqueren. Er befürchtete, meine Interessen könnten sich so glatt und unerwartet aus den Wirtschaftswissenschaften entfernen, wie sie sich dort hineinbewegt hatten. Das sei ein Risiko, das er nicht eingehen wolle.
    Er war enttäuscht, dass seine diplomatischen Fähigkeiten nicht ausgereicht hatten. Außerdem versicherte er mir, meine Vorstellungen in der Wirtschaftswissenschaft würden gut vertreten, weil Eugene Fama sich der Fakultät anschließen wolle.
    Das birgt eine gewisse Ironie in sich. Es war eben jener Fama, der 1964 eine Dissertation vorlegte, deren Untertitel eine »Überprüfung von Mandelbrots Hypothese zur stabilen Pareto-Verteilung« versprach. Er glaubte,

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