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Schönes Chaos: Mein wundersames Leben (German Edition)

Schönes Chaos: Mein wundersames Leben (German Edition)

Titel: Schönes Chaos: Mein wundersames Leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benoît B. Mandelbrot
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Problem aus der einen Welt mit einem Werkzeug aus einer weit entfernten anderen Welt zusammen. Ein zweiter Kepler-Moment innerhalb eines Jahres.
    Die Berichte von Bergers Gruppe stellten seine Vorgesetzten zufrieden. Ein Aufsatz über die Häufung von Störungen in Telefonleitungen, den ich mit ihm gemeinsam veröffentlichte, verursachte einen Sturm in einem kleinen, aber sehr wichtigen Teekessel. Die Experten kapierten, worauf es ankam, und bald wurde meine Arbeit zum Standardmaterial. Ich wurde zu den Bell Laboratories eingeladen – ins Epizentrum der Expertise. Sie hörten rechtzeitig auf, mir Aufsätze zuzuschicken, und ich stellte ihnen keine Fragen mehr. Doch die Saat war aufgegangen.
    Von den vielen Geschenken Galileis an die Naturwissenschaft folgt hier eines, das keine Formel erfordert. In seiner Welt glaubte man, die himmlischen Gefilde seien wohlgeordnet, während alles auf Erden ein reines Durcheinander sei. Galilei fand eine Fülle von Durcheinander auf dem Mond – die Krater. Außerdem fand er auf der Erde Ordnung – das Fallen der von der Gravitation angezogenen Steine. In diesem Sinne war George Kingsley Zipf – auf den wir gestoßen sind, als ich die Geschichte meiner Doktorarbeit erzählte – eindeutig prä-Galilei. Er glaubte, in den physikalischen Wissenschaften folge der Zufall der sogenannten Normalverteilung mit ihrer Glockenform, während in den Sozialwissenschaften – Worthäufigkeiten, Einkommen – die sogenannte hyperbolische Verteilung gelte.
    Im akademischen Jahr 1962/63 war das Finanzwesen weit davon entfernt, meine Zeit auszufüllen. Zusätzlich zu Lehrveranstaltungen in Ökonomie kompensierte ich in jeder Woche meine wissenschaftlichen Entbehrungen in den bukolischen Gefilden von IBM Research. Wenn man mich nicht dazu aufforderte, hielt ich schamlos freiwillig Vorträge bei dem einen oder anderen Seminar in Harvard, am MIT oder sonstwo. Außerdem gelang es mir, an unzähligen Seminaren über zahllose Themen teilzunehmen – eine Art ständiger Fortbildung, von der meine überarbeiteten Freunde vor Ort nur träumen konnten. Im Wesentlichen beruhten meine bei IBM vorbereiteten Vorträge auf dem ersten (Pareto-Lévy-Mandelbrot) meiner drei sukzessive verbesserten Modelle von Kursen und Preisen im Finanzsektor. Zum kreativen Aspekt gehörte neu eingegebenes Material, das spätere Arbeiten in Hydrologie auslöste, und das zweite (Hölder-Hurst-Mandelbrot) Modell in den Finanzwissenschaften. Meine Harvard-Jahre in den angewandten Wissenschaften waren ein unmittelbares Ergebnis von Hölder-Hurst-Mandelbrot, doch bald kam weiteres Material dazu, das zu Arbeiten über Turbulenzen und zum dritten Modell auf dem Finanzsektor führte.
    Die unablässige wilde Bewegung jenes Jahres hat in meinem ganzen Leben eine unglaublich starke Spur hinterlassen. Mein Terminkalender war so voll, dass meine selbst verschuldeten Wunden, die mir an der University of Chicago geschlagen worden waren, bald zu heilen begannen. Nachdem ich vor einer Gruppe von Nichtökonomen wieder einmal meinen Standardvortrag über Preisänderungen gehalten hatte, meldete sich ein Zuhörer – dem ich zutiefst verpflichtet bin – zu Wort. Er merkte an, dass einige Aspekte meines Vortrags ihn vage an etwas erinnerten, was er über die bei Flüssen beobachtete Variabilität der Schüttung gehört habe. Ich fand das sehr aufregend. Es war etwa zu der Zeit, als der Aufsatz von Berger-Mandelbrot über Telefonstörungen erschienen war. Außerdem hatte mich die Ökonomie dazu gebracht, mich um Ölfelder zu kümmern. Deshalb wusste ich, dass zu Paretos Gesetz der Einkommensverteilung und meiner Arbeit über Preise zwei Beispiele für Skalierung in der physikalischen Welt addiert werden mussten. Die Flussschüttungen versprachen eine dritte, extrem unterschiedliche Möglichkeit, und so beeilte ich mich, den Harvard-Hydrologen Harold Thomas aufzusuchen. Er verwies mich auf die Arbeit des schon erwähnten Hydrologen Harold E. Hurst. Es war eine Herausforderung für meine Fähigkeiten, das Rätsel von Hurst zu lösen, erforderte aber wenig Zeit.

Eingefangen von der Abteilung für angewandte Naturwissenschaften in Harvard
    Mit den an dieser Episode beteiligten Personen hatte ich keinen ständigen Kontakt. Deshalb ist meine Erinnerung an die folgenden Schritte verblasst. Zunächst bat man mich, im nächsten Jahr wieder nach Harvard zu kommen und ein paar Vorträge über meine Ergebnisse zu halten. Das reizte mich nicht. Dann machte mich

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