Schönes Chaos: Mein wundersames Leben (German Edition)
sie sehen, als gegeben an: Galaxien sind in Clustern angeordnet, die sich ihrerseits zu Superclustern zusammenschließen – meiner Ansicht nach eine glanzvolle neue Verwendung für das klassische ptolemäische Modell der Planetenbewegung. Die »Reduktionisten« – Theoretiker, deren Geschäft darin besteht, alles auf die Grundprinzipien eines Gebiets »zu reduzieren« – müssen erklären, warum Galaxien sich zu Clustern versammeln, und dabei die Größe der jeweiligen Cluster voraussagen.
© US San Diego Center for Astrophysics
© Sigmund Handelman
Meine Alternative zu Ptolemäus ist viel sparsamer und angemessen keplerianisch: Ich behaupte, die Galaxien sind fraktal verteilt. Der springende Punkt ist, dass Cluster in manchen Fraktalen völlig real sind, weil sie in die Konstruktion eingebunden wurden; in anderen Fraktalen wurden keine Cluster einbezogen, doch der Geist erkennt sie ohnehin. Fraktalität und Hierarchie zeigen eine eigenartige Konsonanz. Hier zwei Abbildungen von Galaxien: Links ist die Aufnahme eines realen Galaxienhaufens vom Center for Astrophysics and Space Sciences der University of California in San Diego zu sehen, rechts ein fraktales Modell von Galaxien.
Meine Analyse ließ mich zu dem Schluss kommen, dass Galaxien bis zu einer bestimmten Tiefe des Universums nicht gleichförmig, sondern fraktal verteilt sind und einfach konstruiert werden können. Mit einer Formel von der Länge einer halben Zeile konnte ich all diese Clusterbildungen von Galaxien – die Supercluster – darstellen. Das heißt, mein Modell reduziert automatisch die überwältigende Komplexität der Wirklichkeit auf ein einziges Grundprinzip – ein Prinzip im Kern der Naturwissenschaft, das versucht, die komplizierte Realität mithilfe sehr einfacher Regeln nachzubilden.
Telefone als Hilfe für Fortuna
Erinnern Sie sich noch, dass meine Überprüfung der Baumwollpreise mit einem geheimnisvollen Diagramm auf einer Tafel begann? Nun, die Glücksgöttin Fortuna schlug erneut zu, als ich gebeten wurde, im Zusammenhang mit Störgeräuschen bei Telefonleitungen zur Datenübermittlung zu helfen. Dabei fand ich eine mir genehme Möglichkeit, mich als Hansdampf in allen Gassen hervorzutun.
Seltsam ist, dass der Zufall mir bei vielen Gelegenheiten geholfen hat. Louis Pasteur wird die Bemerkung zugeschrieben, der Zufall begünstige diejenigen mit einem vorbereiteten Geist. Ich glaube, meine lange Folge glücklicher Durchbrüche kann darauf zurückgeführt werden, dass ich stets voller Aufmerksamkeit war. Ich sehe mir merkwürdiges Zeug an und zögere nie, Fragen zu stellen. Die meisten Menschen hätten die schlecht abgewischte Tafel nicht bemerkt oder den Artikel nicht gelesen, den Szolem aus dem Papierkorb gezogen hatte und mir in die Hand drückte.
Dieser Nachdruck von 1951 und dieses Diagramm auf der Tafel sind Beispiele für das, was mittlerweile unter der Bezeichnung lang bzw. breit auslaufende Verteilungskurven bekannt ist. Diese Vorfälle machten mich zum ersten gut ausgebildeten Mathematiker, der diese Kurvenausläufer ernst nahm. Deswegen hat man mich manchmal als Vater der langen Ausläufer bezeichnet. Ob lang oder breit – diese Ausläufer sind ein vertrauter Teil der fraktalen Familie. Insofern ergibt es einen Sinn, dass man mich seither auch Vater der Fraktale nennt.
Im Frühjahr 1962, als meine Freunde bei IBM von meinem Wechsel nach Harvard erfuhren, drängten sie mich, ein Seminar abzuhalten – nur um zu erklären, wie jemand wie ich es geschafft hatte, »diesen Traumjob« (ihre Worte) an Land zu ziehen. Ich fügte mich, überzeugte sie, dass ich ihnen nicht dabei helfen konnte, ihre Ersparnisse zu verwalten, und fand mich in der schmeichelhaften, aber mühsamen Lage eines Mannes, der Wunder bewirken – und ihnen vielleicht bei ihren IBM-Jobs helfen konnte. Die Fragen, die man mir stellte, gaben nicht viel her; nur eine erschien mir interessant, war aber sehr spekulativ. Die Verbindung von Computern mit Telefonleitungen erwies sich als sehr viel schwieriger als erwartet, und meinem Freund bei IBM, Jay M. Berger, hatte man ein Problem zugeteilt, das die Verteilung von Fehlern in diesen Leitungen betraf. Man erwartete von ihm und seinen Assistenten, dass sie herausfanden, warum sich die Fehler in der beobachteten Weise häuften. Keines der Lehrbuchgesetze zu Durchschnittswerten schien sich anwenden zu lassen. Um Julius Cäsar abzuwandeln: Ich kam, sah und hatte auch schon angebissen. Erneut brachte ich ein
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