Schokoladenzauber - Roman
wollte ich sowieso etwas trinken und eine kleine Pause machen. Also, was soll’s sein?«
»Bloß kein Tee – ich hatte heute schon genug während meiner Besuche. Ich bekomme fast immer nur Tee oder sehr schwachen Instantkaffee.«
»Es ist aber auch ein sehr ehrgeiziges Vorhaben, sämtliche Haushalte der Gemeinde aufzusuchen. Die meisten gehen doch gar nicht in die Kirche, und die, die es tun, vermutlich in eine andere.«
»Du wärst überrascht, wie freundlich mich fast alle empfangen. Ich möchte sie eben kennenlernen und ihnen anbieten, dass ich für sie da bin, egal, welcher Konfession sie angehören. Bei meiner Abendandacht ist jeder willkommen.«
»Und? Folgen sie dem Aufruf?«
»Einige schauen schon herein und bleiben eine Weile. Vielleicht brauchen sie einen Moment der Ruhe nach einem hektischen Tag.«
»Mmm …« Ich brauchte heiße Schokolade. Es fiel mir immer noch schwer, den neuen Raffy an die Stelle des alten zu setzen. Er mochte sein Damaskus-Erlebnis gehabt haben, ich nicht. Manchmal gelang es mir, ein Dia über das andere zu schieben, aber dann glitten sie plötzlich wieder auseinander.
»Weißt du, dass ich dich jahrelang für eine billige Forastero-Schokolade gehalten habe? Aber mittlerweile glaube ich, du bist doch ein ganz guter Criollo.«
»Ich fasse das mal als Kompliment auf«, erwiderte er grinsend. Dieses Lächeln und diese funkelnden Augen mussten die Herzen sämtlicher weiblicher Gemeindemitglieder brechen.
Raffy hatte mir berichten wollen, dass er Carr Blackstock gemailt und bereits eine Antwort erhalten hatte. Unser Treffen sollte am kommenden Dienstagnachmittag in Raffys Wohnung stattfinden.
»Mein Name hat ihm offenbar nichts gesagt, aber es hat ihn wohl beruhigt, dass dein Vikar für dich und deine ehrenhaften Absichten bürgt.«
»Danke, dass du das organisiert hast«, sagte ich aufrichtig.
»Wenn es dir recht ist, fahren wir früh los, gleich nach der Morgenandacht. Ich habe schon mit Mike gesprochen, er hat an dem Abend Zeit, und Mr Lees wird dafür sorgen, dass die Kirche wie gewöhnlich auf- und zugeschlossen wird. Ich lasse Arlo bei den Minchins, er hängt sehr an Salford. An dir übrigens auch – jedes Mal, wenn wir hier vorbeikommen, will er mich ins Haus zerren.«
»Das liegt wahrscheinlich am Schokoladenduft, auch wenn das vermutlich nichts für Hunde ist.« Ich machte eine Pause. »Es ist sehr nett von dir, das alles zu organisieren und mit mir nach London zu fahren. Mit dir in meiner Nähe fühle ich mich viel sicherer, denn Carr Blackstock klingt nicht gerade herzlich.«
»Das ist das Mindeste, was ich tun kann. Mach dir keine Sorgen«, bekräftigte er. »Ich kümmere mich um dich.«
Schließlich erzählte ich Zillah von den Briefen und den Neuigkeiten über Chas, und sie war nicht im Mindesten überrascht. Sicher würde sie alles Brummbart berichten, dann musste ich es nicht tun.
»Ich habe immer gewusst, dass es nicht Chas Wilde ist«, sagte sie.
»Ich wünschte, er wäre es«, erwiderte ich, und als ich ihr erzählte, dass Raffy das Treffen arrangiert hatte und als Vermittler agieren wollte, bestand sie darauf, mir noch einmal die Karten zu legen. Sie wirkten kompliziert, doch Zillah las sie rasch und packte den Stapel schon wieder zusammen, während ich noch immer versuchte, die Bedeutung der auf dem Kopf stehenden Karten zu enträtseln.
»Hab ich’s mir doch gedacht«, sagte sie, verweigerte mir aber zu meiner Empörung eine Erklärung.
Felix und Poppy würden meine Abwesenheit wahrscheinlich kaum zur Kenntnis nehmen. Sie flogen aufeinander wie magnetische Marienkäfer, aber weiter kamen sie nicht. Welcher Anschub war nötig, damit sie einander endlich in die Arme fielen?
Vielleicht könnte Raffy in seiner Funktion als Vikar Felix fragen, ob seine Absichten Poppy gegenüber ehrbar seien.
Bei der Palmsonntagsprozession war fast das ganze Dorf auf den Beinen, mobilisiert von einer neuen Solidarität und, in meinem Fall, von Dankbarkeit gegenüber Raffy und dem Wunsch nach Ablenkung wegen Dienstag.
Die lokale Presse und das Fernsehen waren in voller Stärke erschienen, um über die Segnung des Pestfriedhofs zu berichten. Raffys Worte waren sehr bewegend und aufrichtig, und er sah hinreißend aus, als der Wind in seinem schwarzen Haar und mit seinem weißen Messgewand spielte.
Offenbar gewöhnte ich mich allmählich an den neuen, geläuterten Mann …
Kapitel vierunddreißig
… und aufgelöst
W as zieht man an, wenn man mit seinem vom
Weitere Kostenlose Bücher