Schokoladenzauber - Roman
interpretiert.« Ich stieß einen Seufzer aus. »Das Wissen, dass Raffy in der Gegend ist, wäre an sich schon schlimm genug, aber dass ich ihn auch noch ständig sehen muss! Ich hätte mich mittlerweile daran gewöhnen müssen, aber es will mir einfach nicht gelingen.«
»Ach, ich weiß nicht, ich habe viel darüber nachgedacht, und ich bin sicher, deine Gefühle haben nichts mit ihm zu tun, sondern mit vielen anderen ungeklärten Dingen«, überraschte sie mich mit einem ihrer gelegentlichen hellsichtigen Kommentare.
»Was meinst du damit?«
»Nun, du hast deine erste große Liebe verloren, wurdest von deiner zweiten sitzengelassen, und deine Mutter hat sich ebenfalls aus dem Staub gemacht.«
»Schon, aber im Grunde hatte ich sowieso nie eine Mutter.«
»Möglich, trotzdem wird dir das gegen den Strich gegangen sein, denn du musstest ihretwegen zu Hause bleiben und dich um Jake kümmern – und warst nicht da, als Raffy zu dir zurückkam.«
»Weißt du, wahrscheinlich hätte Jake bei Zillah und Brummbart sogar überlebt, selbst wenn ich wieder zur Uni gegangen wäre.«
»Überlebt ja, aber er hätte sich nicht so gut entwickelt. Er wäre sicher irgendwann aus der Bahn geraten, wenn du ihn auch noch verlassen hättest.«
»Möglich«, räumte ich ein. »Er hat sich nicht schlecht gemacht, oder?«
»Er ist ein toller Junge«, sagte sie voller Zuneigung. »Ach übrigens, hast du von Chas wegen des Vaterschaftstests gehört?«
»Er hat mir nur eine E-Mail geschrieben, dass er bald geschäftlich in der Gegend ist und dann vorbeikommt, also hat er wohl noch kein Ergebnis. Das wird komisch, ihn in dieser Ungewissheit zu sehen …« Ich seufzte. »Schon wieder so ein scheußliches Problem, das gelöst werden muss. Und dabei hoffe ich so sehr, dass Chas mein Vater ist, ihm liegt wenigstens etwas an mir, und ich mag ihn auch.«
»Wenn du erst einmal weißt, wer wirklich dein Vater ist, und damit Frieden schließen könntest, wenn es dir gelingen würde, deiner Mutter ihre Unfähigkeit zu vergeben, und wenn du schließlich auch noch Raffy verzeihen könntest, dass er dich vor so langer Zeit im Stich gelassen hat, würdest du dich wie ein anderer Mensch fühlen.«
»Das ist aber ziemlich viel verlangt! Dafür müsste ich schon jetzt ein anderer Mensch sein!«, sagte ich mit einem ironischen Lächeln und erwähnte nicht, dass die Engelkarten zumindest teilweise ihrer Meinung waren, da sie mir immer wieder die eindeutige Botschaft überbrachten, dass ich Raffy vergeben sollte. Eine andere Deutung war unmöglich.
»Du schaffst das«, sprach mir Poppy Mut zu. »Und dann können wir gemeinsam nach einem netten Mann suchen, bevor alle vom Markt sind. Irgendwo müssen doch noch zwei im Angebot sein, meinst du nicht?«
»Natürlich – zum Beispiel Felix«, sagte ich listig.
»Nun … ja, vermutlich, er ist alleinstehend, und an ihm ist eigentlich nichts auszusetzen, oder?«
»Absolut nicht. Aber ich will keinen Mann. Ich habe genug. Und ich will auch keine Kinder, Jake reicht mir. Nein, ich bin glücklich mit meinem netten Leben aus Pub, Schokolade, Freunden und dem kleinen Garten, in dem ich mich austoben kann.«
Angesichts ihrer enttäuschten Miene ergänzte ich rasch: »Aber wir können uns natürlich gelegentlich ein bisschen weiter in die Welt hinauswagen oder irgendeinem Verein beitreten, damit wir neue Leute kennenlernen.«
»In der Dorfhalle finden nachmittags und abends eine ganze Reihe Kurse statt«, brachte Poppy unsicher vor. »Aber dabei geht es hauptsächlich um Serviettenfalten und Papierblumen.«
»Ich glaube, dieses Stadium der Verzweiflung haben wir noch nicht erreicht, oder?«, erwiderte ich.
Nachdem Zillah entschieden hatte, dass wir Raffy unbedingt bräuchten, nahm sie die Angelegenheit mit der Versöhnung selbst in die Hände.
Am nächsten Tag klopfte sie an die Zwischentür, steckte den Kopf in meine Werkstatt und rief: »Herrenbesuch!«
Dann schob sie Raffy über die Schwelle und schloss energisch die Tür hinter ihm.
»Tut mir leid, wenn ich störe«, sagte er und sah ebenso erschrocken wie unsicher aus, und das mit gutem Grund. »Du bist beschäftigt, und ich hatte gar nicht vor, herzukommen. Ich wollte bei Zillah etwas für dich abgeben, aber sie hat darauf bestanden …«
Nachdem ich den anfänglichen Schock angesichts seines unerwarteten Erscheinens überstanden hatte, erwiderte ich gleichmütig: »Schon in Ordnung, es ist völlig sinnlos, sich Zillah zu widersetzen. Ich mache ja
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