Schottische Ballade
hießen.
„Welch ein Willkommen“, schnaufte er verächtlich.
„Ja, man könnte denken, die Leute hätten niemals zuvor einen toten Eber gesehen“, sagte Clem. „Sogar der Earl hat seine Gemächer verlassen.“
„Wo?“ Eneas kniff die Augen zusammen, als er dem Weg des Earls über den überfüllten Burghof folgte. Alexander hatte den ganzen Tag in seinen Gemächern verbracht, zumindest hatte das seine Leibgarde behauptet. Er hatte sich nicht gezeigt, um den Männern beim Üben für die Wettkämpfe zuzusehen, selbst dann nicht, als ein Kampf zwischen den MacPhersons und den Grants ausbrach, der sich rasch unter den anderen Clansleuten ausbreitete. Drei Männer wurden dabei getötet und viele verwundet, darunter auch Dunmore und zwei weitere Gunns. Trotzdem war der Earl nicht erschienen - bis jetzt.
„Ich wusste nicht, dass Ihr vorhattet auszureiten“, sagte der Earl. Er wirkte ungehalten, was wiederum Eneas erfreute.
„Nehmt meine Entschuldigung an, Mylord. Ihr wart beschäftigt, als ich mich entschloss, meine Männer zur Waffenübung zu führen.“ Lion schwang sich ungezwungen lächelnd vom Pferd. „Seht, was wir in den Wäldern fanden.“ Er zeigte auf das Wildschwein, das auf eine lange Stange gebunden war. „Ich erinnerte mich, dass Ihr Appetit auf frisches Schwein hattet.“
„Ja, das habe ich.“ Alexanders Stirnrunzeln wich, doch sein Blick blieb kühl. „Ich möchte indes wissen, was meine Männer tun.“
„Ich werde mich das nächste Mal daran erinnern.“
Eneas drehte es den Magen um, als er sah, wie entspannt sich Alexander Lion gegenüber gab. Er selbst hatte Alexander das Leben gerettet, doch der Earl zeigte ihm nur halb die Gunst, die er Lion erwies. Das war nicht gerecht.
„Ich möchte wissen, was unser Held wirklich in den Hügeln tat“, sagte Georas, als er neben Eneas trat.
„Du glaubst ihm seine Geschichte nicht?“
„Warum sollte er von Blantyre wegreiten, wenn es hier genügend Platz zum Üben gibt? Und wenn er nur zu gut weiß, dass Alexander es nicht mag, wenn seine Männer allein fortreiten?“ „Was könnte er getan haben?“
„Sich mit Alexanders Feinden treffen ... den Rosses, vielleicht.“
Eneas schnappte kurz nach Luft. „Das wäre zu schön, um glaubhaft zu sein.“
„Nicht unbedingt.“ Georas’ Augen nahmen einen heimtückischen Ausdruck an. „Lions Vater ist bei Hof. Man sagt, Lucais versuche den König zu überzeugen, Alexander zurückzurufen und ihn seiner Ämter zu entheben. Wenn man Gerüchten glauben darf, sind Vater und Sohn sehr eng verbunden. Ist es da nicht eigenartig, dass Lion nach Blantyre kam? Als ich versuchte, dies dem Earl zu erzählen, hat er meine Warnung verworfen. Er fühlt sich geschmeichelt, solch einen vornehmen und gebildeten Ritter bei sich zu haben. Er denkt, er wird andere überreden, sich ihm anzuschließen.“
„So ..." Eneas betrachtete Lions harte Züge, wie er sich seinen Weg zurück in Alexanders Gunst eroberte. Er scherzte und lächelte, ohne ein Anzeichen von kriecherischer Unterwürfigkeit, die Eneas bei anderen beobachtet hatte. „Wir müssen herausfinden, was er im Schilde führt.“
„Denkst du, ich hätte das nicht versucht?“ stieß Georas unter einem Fluch hervor. „Seine Männer sind so verdammt treu ergeben, dass sie jedes Handgeld, das ihnen die meinen anboten, zurückwiesen. Sie trinken nicht bis zum Umfallen, sind nicht hinter Weibern her, noch spielen sie. Und Lion geht niemals irgendwohin, ohne einen Trupp seiner Krieger bei sich zu haben.“
Als Eneas sah, wie Lion und der Earl Seite an Seite die Burg betraten, fiel sein Blick angewidert auf Padruigs treulose Witwe, die ins Gespräch vertieft neben Lion einherging. „Ich möchte wetten, dass seine Männer nicht bei ihm sind, wenn er mit der Witwe meines Bruders das Lager teilt.“
Georas sagte: „Ich bin sicher, du hast Recht, doch kein Mann erzählt einem Weib seine Pläne.“
„Nein, doch mit einem Weib beisammen zu sein schwächt einen Mann. Wenn sie ihn fragt, was er vorhat - wenn seine Sinne von Wollust getrübt sind -, könnte er vielleicht zu viel verraten.“
„Würde sie dir helfen?“
„Sie wird, wenn sie möchte, dass ihr geliebter Sohn noch etwas älter werden soll.“
Nach dem Tag an der frischen Luft, weit weg von all den Ränkespielen, fand Rowena die Stimmung auf Blantyre noch bedrückender als sonst. Und Kier war sehr verärgert darüber, dass sie mit Lion weggegangen war.
„Ich kam, um Euch zu schützen, und
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