Schottische Ballade
Hilfe.“
„Es ist eine schöne Nacht für einen Ritt“, sagte Wes und schwang sich in den Sattel.
Mit Wes an der Spitze sprengten sie über das offene Moor. Die Luft roch nach Regen und dem weichen Gras, über das die Pferde galoppierten. Es erinnerte Lion an andere Nächte, andere Ritte voll Gefahr und Abenteuer.
Lion war oftmals mit den Wachtrupps geritten, die auf den ausgedehnten Ländereien seines Clans unterwegs waren. Wenn sie herausfanden, dass jemand Sutherlands Rinder gestohlen hatte, verfolgten sie die Spur. Ein wilder, mitternächtlicher Ritt, um die gestohlenen Tiere oder die Wagenladung mit gestohlenen Waren zurückzuholen. Er hatte gelernt, unermüdlich über die rauesten Landstriche zu reiten, um mit dem Schwert, dem Dolch oder, wenn nötig, mit den Fäusten bis zum bitteren Ende zu kämpfen.
Wenn ihn das Leben in den Highlands geformt und stark gemacht hatte, so hatten das Leben am französischen Hof und die Bildung die rauen Kanten geschliffen, wie es sein Vater wollte.
Sosehr Lion auch dankbar für das war, was er gelernt hatte, sosehr bedauerte er die verlorenen Jahre mit Rowena.
„Da sind wir“, sagte Wes und zügelte sein Pferd.
Lion schüttelte seine düsteren Gedanken von sich ab und hielt an, um den festen Turm, der an die windgeschützte Seite der Hügel gebaut war, zu betrachten. Die Fenster waren dunkel, die Rosses lagen in tiefem Schlaf. Lions Truppe kam bis auf ein paar hundert Fuß heran, ehe sie von den Wachen angerufen wurden. „Wer seid Ihr?“ wollte eine verschlafene Stimme wissen.
Lion wandte sich in die Richtung, wo ein blasses Gesicht hinter einem Steinhaufen umsichtig hervorlugte. „Freunde“, sagte Lion kurz. „Und du kannst froh darüber sein, sonst wärst du und wären alle, die im Turm sind, bereits tot.“
„Das sagt Ihr.“ Der Mann stieß einen scharfen Pfiff aus.
Ein Schrei erscholl von links, Geröll rutschte, und noch ein Gesicht tauchte hinter den Felsen auf. Vor ihnen sprangen zwei Männer auf den Pfad und bedrohten sie mit langen Speeren.
Narren. Junge Narren, die dachten, sie könnten einen Trupp von dreißig Mann mit ein paar Spießen herausfordern. „Ich muss sofort mit Iain Ross reden.“
„Der Laird schläft bereits“, rief einer der Männer und kam mit erhobener Waffe den Weg herab.
„Dann weckt ihn“, rief Lion. „Der Wolf ist auf dem Weg hierher ... Wir sind gekommen, um zu helfen ... “
„Woher sollen wir wissen, dass dies keine List ist, um ins Innere zu gelangen?“
Lion sagte: „Wir vergeuden wertvolle Zeit. Schickt jemanden zu Iain, und sagt ihm, Lion Sutherland ist hier.“
„Derselbe, der uns Colin sandte? Warum sagtet Ihr das nicht gleich?“ Die Wache rief einige Befehle und machte den Weg frei. „Kommt herein, Mylord.“
Bis sie die Außenmauer erreicht hatten, waren die Turmfenster im zweiten Stock erleuchtet, und Fackeln erhellten den Hof. Ein blonder Mann eilte die hölzernen Stufen herab. „Lion! Was sagt mir mein Vetter, der Wolf kommt hierher?“
„Ich fürchte, es ist wahr.“
Der Wind ließ das Licht in den Fackeln flackern. Im zuckenden Lichtschein wurde Iains Gesicht aschfahl. Wie gelähmt stand er da. „Weiß er von Colin?“
„Nein. Er hat beschlossen, den Clan Ross zu strafen, und deine Festung ist die Nächste. Er möchte euch alle auslöschen ... euch töten und den Turm niederbrennen.“
„Bei Gott... ich muss eine Nachricht an Fergus schicken.“ „Dein Onkel kann nicht so schnell zu Hilfe kommen.“
„Doch er wird diesen Angriff nicht ungesühnt lassen. Fergus wird uns rächen.“
„Wenn er das tut, wird Fergus selbst für vogelfrei erklärt.“ Enttäuscht biss Lion die Zähne zusammen. „Alexander ist der Bruder des Königs. Der Vizekönig der Highlands.“
„Schlächter wäre ein treffenderer Titel.“
„Ja, doch die Tatsache bleibt. Wer seine Waffen gegen den vom König eingesetzten Herrscher erhebt, wird zum Verräter. Der Wolf rechnet damit, dass ihr gegen ihn kämpft und ihm einen Grund bietet, die Sippe der Rosses zu Verrätern zu erklären. Er wird euch töten als Warnung für alle, die sich ihm widersetzen.“ „Wir werden uns nicht ergeben. Wir werden nicht ...“
„Es ist schwer, worum ich dich jetzt bitte. Ich möchte, dass ihr euch in die Hügel zurückzieht und den Turm niederbrennt. Meine Männer und ich werden euch helfen, die Leute und euren Viehbestand zu retten.“
Iain blickte zu dem viereckigen Steinbau empor, der alles enthielt, was ihm lieb war
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