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Schottlands Wächter (German Edition)

Schottlands Wächter (German Edition)

Titel: Schottlands Wächter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Gerlach
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mitgebracht?”
    Wortlos zog Kaylee die weiße Schlange aus der Tasche, hielt sie kurz hoch und stopfte sie wieder zurück. Thomas der Rhymer lächelte wieder sein zauberhaftes Lächeln.
    „Sieh an, sieh an. Das hätte ich euch gar nicht zugetraut. Das soll mich lehren, dem Seannachaidh nicht zu glauben. Setzt euch.” Er deutete auf ein breites Bett mit vielen Decken, Fellen und Kissen. „Macht es euch gemütlich.”
    Bryanna und Kaylee kletterten aufs Bett. Bryanna war zwar etwas enttäuscht, dass es wieder keine Gelegenheit gab, sich zu säubern, doch reichte es ihr vorerst, dass sie endlich ihre Füße ausruhen konnte.
    Aber Kaylee sah Thomas finster an. „Habt Ihr die Schlange auf uns gehetzt?”
    „Es war euch vorherbestimmt, mit ihr zu kämpfen. Diese Art Schlange ist schwer zu besiegen und noch schwerer zu töten. Daher wollte ich dem Seannachaidh nicht glauben, als er euch und die tote Schlange ankündigte.”
    Kaylee schien mit dieser Auskunft nicht zufrieden.
    Bryanna legte ihr die Hand auf den Arm. „Man nennt ihn auch den Wahren Thomas, weil er nicht lügen kann.”
    „Warum kann er es nicht?”
    „Das war ein Geschenk der Elfenkönigin.”
    „Oder ein Fluch”, warf Thomas ein. „Und nun gib mir bitte die Schlange. Wir machen uns daraus ein feines Abendessen.”
    Widerwillig reichte ihm Kaylee das tote Tier. Mit sicheren Griffen nahm Thomas die Schlange aus. Dabei war ihm ein goldenes Medaillon im Weg, das um seinen Hals hing. Er nahm es ab und legte es auf ein Tischchen neben dem Bett. Dann zog er der Schlange die Haut ab, würzte sie und legte sie mit etwas Wasser in einen großen Topf, der über dem Feuer hing. Dann setzte er sich neben Bryanna und legte seine Hand auf ihr Knie.
    „Gräme dich nicht über den Tod der Schlange. Sie hätte dich getötet, wenn du geflohen wärst.”
    „Heißt das, ich hatte keine Wahl? Kämpfen oder sterben?”
    Thomas nickte.
    „Aber warum? ”
    „Wesen, die dich grundlos angreifen, gibt es viele, und dann ist ein Kampf unausweichlich. Da ist es gut zu wissen, dass du kämpfen kannst, wenn es darauf ankommt.”
    „Ich wollte sie nicht töten.” Bryanna lehnte sich zurück und blinzelte eine Träne weg.
    „Diese Schlange wusste, dass es in einem solchen Kampf nur einen Überlebenden geben kann. Und du hast sie nicht leiden lassen. Das ist viel wert.”
    Bryanna fühlte sich getröstet — nicht mehr so schuldig. „Sie tut mir trotzdem Leid.”
    Thomas hob eine Laute auf, die neben dem Bett stand. „Bis der Eintopf soweit ist, werde ich euch etwas vorsingen”, sagte er und begann zu spielen. Die zarten Töne der Laute mischten sich mit seiner Stimme zu etwas so Wundervollem, dass Bryanna ganz warm ums Herz wurde. Mit Tränen in den Augen lauschte sie der Geschichte zweier Fiedler aus Inverness, die eines Abends von den Elfen gebeten wurden, für sie zum Tanze aufzuspielen. Sie ließen es sich gut gehen, aßen und tranken und spielten die ganze Nacht. Als Thomas der Rhymer von der Heimkehr der Männer sang, wurde die Melodie trauriger und trauriger. Es gab nichts, das die Fiedler wieder erkannten: kein Haus, kein Baum, kein Strauch, keinen Menschen. Nur die Kirche in Inverness hatte sich nicht geändert. Ihre Glocken riefen die Gläubigen zum Gottesdienst, und auch die Fiedler folgten ihr. Doch als der Pfarrer den ersten Segen sprach, zerfielen sie zu Staub. Über zweihundert Jahre waren sie bei den Elfen und dachten doch es sei nur eine Nacht gewesen.
    Das Lied klang aus. Bryanna streckte die Hände aus, als wolle sie die Töne festhalten. Seufzend ließ sie die Hände wieder sinken.
    „Danke”, sagte sie. „Das werde ich niemals vergessen.”
    „Es wird Zeit, dass ihr euch ausruht”, sagte Thomas und etwas klang in seiner Stimme mit, dass Bryanna einschlafen ließ bevor er seinen Satz beendet hatte. Im Traum versinkend wusste sie, dass auch Kaylee schlief.

    Als Bryanna wieder aufwachte, duftete das Zimmer nach Gewürzen und Fleisch. Sie rieb sich den Schlaf aus den Augen und reckte sich. Thomas der Rhymer freute sich.
    „Grade rechtzeitig zum Essen!” Er winkte Bryanna an einen einfachen Tisch und reichte ihr einen Teller mit Eintopf. Bryanna pustete auf den Löffel und probierte vorsichtig. Ein Prickeln wie von tausend Nadeln breitete sich von ihrer Zunge über Mund und Hals im ganzen Körper aus. Bald prickelte es von den Haarspitzen bis zu den Zehen. In Bryannas Kopf schien sich eine Tür zu öffnen, durch die grenzenlose Energie in ihren

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