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Schrei der Nachtigall

Schrei der Nachtigall

Titel: Schrei der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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hat?«
    »Dann müssten auch Spuren einer Schlägerei an seinen Händen und im Gesicht und vermutlich auch entsprechende Körperhämatome zu erkennen sein. Ist aber nicht der Fall. Willst du meine Theorie hören?«
    »Raus damit.«
    »Wrotzeck war im Heuschober, auf dem Zwischenboden oder Dachboden oder wie immer man das nennt, um vielleicht sauber zu machen oder Heuballen aufzuschichten, jedenfalls scheint er gearbeitet zu haben. Und er hatte vorher wieder ordentlich gebechert. Er hatte noch acht Stunden nach seinem Tod einen Blutalkoholwert von 1,3 Promille. Bin schon gespannt, wie seine Leber aussieht. Ist jetzt auch wurscht. Das Wichtige ist, noch jemand
muss
mit ihm dort oben gewesen sein. Vielleicht kam es zum Streit und der- oder diejenige hat ihm eins übergebraten, er hat das Gleichgewicht verloren und konnte sich aufgrund seines alkoholisierten Zustands und auch wegen seines enormen Gewichts nicht abfangen. Er ist jedenfalls so unglücklich mit dem Oberkörper aufgeprallt, dass er sich das Genick gebrochen hat. Hier«, sie deutete auf die Halswirbelsäule, »wenn zwischen dem ersten und siebten Wirbel ein glatter Bruch entsteht, bleibst du im allergünstigstenFall für den Rest deines Lebens gelähmt, wie etwa Christopher Reeve, meistens führt ein solcher Bruch jedoch zum Tod. Wie bei Wrotzeck. Nach meinem Dafürhalten ist aber nicht nur die Halswirbelsäule gebrochen, sondern mit ziemlicher Sicherheit sind auch Brustwirbel und eventuell Brustbein in Mitleidenschaft gezogen worden.«
    Brandt sah Andrea nachdenklich an und fragte: »Was war denn jetzt die Todesursache, der Schlag auf den Kopf oder der Sturz?«
    Andrea zuckte mit den Schultern und antwortete: »Bock und ich fangen um halb zehn mit der Autopsie an. Ob der Schlag tödlich war, kann ich nicht sagen, ich kann es nur vermuten.«
    »Jetzt mach’s nicht so spannend«, sagte Brandt ungeduldig.
    »Na ja, er wäre vielleicht benommen gewesen, aber wahrscheinlich wäre er nicht daran gestorben.«
    »Das heißt also, irgendwer hat ihm eins verpasst …«
    »Mit einem stumpfen Gegenstand …«
    »Okay, irgendwer hat ihm mit einem stumpfen Gegenstand eins verpasst, er ist gestolpert oder hat das Gleichgewicht verloren und ist auf den Boden geknallt. Und das hat ihm den Rest gegeben.«
    »Was noch endgültig zu beweisen ist«, sagte Andrea und wischte sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Aber um einen wie Wrotzeck umzubringen, müsste man meiner Erfahrung nach schon mehrmals sehr kräftig, und damit meine ich wirklich sehr kräftig, auf den Schädel einschlagen, damit der das Zeitliche segnet. Das genaue Ergebnis der Autopsie kriegt ihr irgendwann heute nachmittag.«
    »Bleibt nur noch die Frage, war es Mord, Totschlag oder ein Unfall? Und wer hat ihm da was über die Rübe gezogen?«
    »Das herauszufinden, mein Lieber, ist deine Aufgabe. Ich habe dir aber schon mal meine ganz persönliche Einschätzung nach der ersten Leichenschau gegeben. Alles weitere später schriftlich. Und jetzt hau ab, ich hab zu tun. Außerdem will ich noch eine rauchen, bevor Bock hier aufkreuzt.«
    »Bin schon weg. Und danke.«
    »Ich mach das nicht umsonst, irgendwann fordere ich eine Gegenleistung ein. Vielleicht heute abend schon«, meinte sie vielsagend lächelnd. »Ich wollte aber auch, dass du schon was in der Hand hast, wenn du nachher nach Bruchköbel fährst.«
    »Ich will das noch nicht verwenden. Meinst du, ihr könnt mir in … sagen wir zwei Stunden schon Bescheid geben, ob der Schlag auf den Hinterkopf unmittelbar vor dem Sturz erfolgt ist?«
    »Mal schauen. Bis nachher, und übernimm dich nicht.«
    »Ciao.« Er vergewisserte sich, dass sie noch allein waren, gab ihr einen Kuss und verließ das Untergeschoss. Draußen atmete er ein paarmal tief durch und ging zu seinem Wagen. Das Gewitter der vergangenen Nacht hatte eine ziemliche Abkühlung mit sich gebracht, die Luft war klar wie lange nicht mehr.
    Es war kein Unfall, dachte er. Aber wer hat Wrotzeck ins Jenseits befördert? Seine Frau? Eher unwahrscheinlich, denn Andrea hat ja gesagt, dass es sich um einen kräftigen Schlag gehandelt haben musste, und diese Frau ist viel zuklein und zierlich. Thomas? Möglich, aber er hat keine Einwände gegen eine Exhumierung gemacht. Wenn er es gewesen wäre, hätte er mit Sicherheit anders reagiert. Köhler? Wenn der’s wirklich so mit dem Kreuz hat, klettert er wohl kaum die vier Meter nach oben. Nein, ich muss das ganz behutsam angehen, denn es kommen wohl doch einige

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