Schrei vor Glück: Zalando oder shoppen gehen war gestern (German Edition)
politischen Kommunikation.
Die Präsentation der Geschäftszahlen im Februar 2013 war bisher die wohl aufmerksamkeitsträchtigste Aktion der Kommunikatoren: Erstmals stellten sich die Geschäftsführer Zalandos den Fragen von – wenigen ausgewählten – Journalisten. Um die Zahlen zu erklären und »einzuordnen«, wie das so schon in der Sprache der Kommunikatoren heißt. Wie beispielsweise Tengelmann verrieten sie nicht alle Zahlen, vor allem schwiegen die sich über Details des Ergebnisses und den Zeitpunkt aus, an dem das Unternehmen Geld verdienen will. Dass die Medien trotz des starken Wachstums, der schwarzen Null in der DACH-Region und der hohen Eigenkapitalquote vor allem auf die Verluste und die hohe Retourenquote abhoben, ärgerte viele Führungskräfte, auch wenn sie das nicht laut sagen. Anfang 2014 wollen Radke und seine Geschäftsführer-Kollegen in ähnlicher Form die Zahlen des Jahres 2013 vorstellen.
Der deutsche Online-Schuhhändler aus der Startphase im Oktober 2008 jedenfalls ist Zalando fünf Jahre später nicht mehr. »Heute verstehen wir uns als europäisches E-Commerce-Unternehmen für Fashion und Lifestyle«, sagt David Schneider. Und die ursprüngliche Zielgruppe hat sich von der Frau zwischen 25 und 45 Jahren ebenfalls erweitert, vom Teenie bis zur Rentnerin. Jeder vierte Besteller ist inzwischen ein Mann.
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Fremde Welten
Oder:
Zalando trifft Tengelmann
Dass sich diese beiden so unterschiedlichen Charaktere und Historien jemals treffen und gemeinsam Geschäfte machen würden, konnte nun wirklich kein Mensch ahnen: Auf der seinen Seite die jugendlich wirkenden Welteneroberer Marc, Oliver und Alexander Samwer, die aus Ideen anderer mit sehr viel Entschlossenheit, fast schon Brutalität, mit Wachstumswillen und schier grenzenloser Selbstüberzeugung und Akribie, aber mit wenig Respekt vor Traditionen und sogenannten »no gos« als Neulinge in der Branche den Einzelhandel aufrollen wollen. Lieber heute als morgen. Und nicht nur in Deutschland und nicht nur in Europa, sondern gleich in der ganzen Welt – oder jedenfalls in den Teilen, in denen es bereits starke Kaufkraft gibt oder doch mutmaßlich in den kommenden Jahren geben wird. Und auf der anderen Seite Karl-Erivan W. Haub, Spross einer der reichsten Familien Deutschlands, Chef des 1867 gegründeten Handels-Imperiums in fünfter Generation, zu dem neben der Supermarktkette Kaiser’s/Tengelmann Beteiligungen an der Baumarktkette Obi und den Discountern KiK sowie TeDi gehören, lange Zeit auch noch die Drogeriemarktkette kd und der Discounter Plus. Klassischer Einzelhandel also und deshalb nicht so wahnsinnig aufregend. Haub ist konservativ und vorsichtig, schließlich hatte er das Unternehmen im Jahr 2000 in einer Situation von seinem Vater übernommen, als es kurz vor dem Ende stand. So etwas prägt. Zu wenig hatten die Verantwortungsträger des Familienkonzerns bis dahin auf Veränderungen im Markt reagiert, zu sehr auf die Ewigkeitswerte bisheriger Erfolgsfaktoren und die eigenen Fähigkeiten vertraut. So ähnlich wie die Manager vieler anderer langjähriger Erfolgsunternehmen damals, etwa die von KarstadtQuelle oder C&A. Dabei waren es einst die Tengelmänner, die in den Fünfzigerjahre – durchaus innovativ – als erste das amerikanische Prinzip des Selbstbedienungsladens in Deutschland etablierten, in München. Doch das war lange her.
Haub Junior hatte um die Jahrtausendwende große Teile seines Unternehmens verkaufen müssen, um den Rest überlebensfähig zu halten. Deshalb auch investierten die Haubs in der Dotcom-Blase rund um das Jahr 2000 kein Geld in wagemutige Zukunftsideen im Internet, weil sie dafür damals gar keines mehr dafür übrig hatten. Im Nachhinein war das ein Glück, denn anders als viele andere verloren sie damit in den frühen Netz-Abenteuern des deutschen Einzelhandels kein Geld. Beide Erfahrungen jedoch – die eigene Firmenkrise auf der einen und das laute und teure Platzen der Dotcom-Blase auf der anderen Seite – erhöhten nicht gerade die Risikolust des neuen Firmenchefs in Mülheim an der Ruhr. Zunächst sehr vorsichtig baute er zusammen mit Mitinhaber Stefan Heinig später in Eigenregie die Discounterketten KiK und TeDi auf, um neuen Umsatz für das zwangsgeschrumpfte Unternehmen zu generieren. Teure und risikoreiche Übernahmen probierte er nie.
Dass ausgerechnet dieser Karl-Erivan Haub knapp ein Jahrzehnt später zu einem der frühen Zalando-Investoren wurde, hatte irgendwie auch mit
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