Schrei vor Glück: Zalando oder shoppen gehen war gestern (German Edition)
Mouseklick entfernt.«
Denn die Kundenloyalität ist im Internet zumeist sehr viel geringer als im stationären Handel – mit dem Finger auf der Maus ist man ja auch viel schneller im nächsten Laden als zu Fuß in der Stadt. »Früher ging der Kunde häufig immer erst zu Karstadt oder erst zu P&C, und wenn er dort das Teil nicht fand, besuchte er noch den nächsten Laden. Im Internethandel gibt es diese Markenbindung weit weniger. Wer sie herstellen kann, gehört zu den Gewinnern«, glaubt Stylefruits-Gründer Ingo Heinrich.
Das virtuelle Laden-Hopping der jungen Kunden von heute wird durch eine der bedeutendsten Innovationen der Online-Ära maßgeblich beschleunigt: durch die totale Preistransparenz, gefolgt von der Bewertungskultur – oder Unkultur, je nach Standpunkt. »Das ist eine zusätzliche, ganz neue Herausforderung«, meint Herbert Hainer. Denn das gab es noch nie: Innerhalb von Sekunden weiß der technisch gut ausgestattete Kunde – und das ist er inzwischen bereits mit einem modernen Smartphone –, ob ein Onlinehändlern in den USA oder in Island den favorisierten Laufschuh ein paar Prozent billiger anbietet als beispielsweise adidas.com , runnerspoint.de , zalando.de oder der Schuhladen um die Ecke. Dessen Betreiber ärgert sich zusätzlich besonders über Zalandos Preisvergleich-App: einfach den Code vom Karton scannen, Vorgang starten und schon ist klar, ob der Artikel im alteingesessenen Schuhhaus zwei Euro teurer ist als etwa bei Zalando. Die kostenlose Beratung des Schuhhaus-Mitarbeiters bei der Auswahl des Modells nimmt der Kunde dankend mit, die Bestellung und den Umsatz aber bekommt Zalando, ohne lästige Aufwendungen für Beratung. Diese Preistransparenz knabbert an den Gewinnen aller Händler, der Einzige, der sich freut, ist der Kunde. Für dieses Phänomen gibt es inzwischen den Begriff des »Beratungsdiebstahls«.
Und wenn sich der Kunde freut, äußert er das auch für alle Welt sichtbar. Denn längst ist es auf jeder guten Seite üblich, dass Kunden das Produkt oder den Service des Händlers bewerten. Und die Beurteilungen von Produkten etwa auf Amazon haben enormen Einfluss auf die Kaufentscheidungen, weil andere Kunden diese Kundenbewertungen für unabhängig halten. Jedenfalls für deutlich unabhängiger oder objektiver als Empfehlungen von Firmenvertretern. Ohne Höchstpunktzahl haben es Privatleute auf ebay schwer, überhaupt etwas zu verkaufen. Die Bewertungskultur hat die Sphäre des Netzes längst verlassen und sich auf den stationären Handel übertragen: »Bei uns beschäftigen sich jeweils die Hälfte mit Erfahrungen im Onlineshop und solchen im Laden. Die Kunden mögen es einfach, wenn sie sehen, dass wir auf Kritik oder Anregungen reagieren«, heißt es bei Deichmann.
Allerdings sind der Manipulationen bei solchen Sternchen-Auszeichnungen Tür und Tor geöffnet – zu sehr, als dass man wegen dieser Errungenschaft wirklich von einer Demokratisierung des Handels sprechen könnte. Bestellte Belobigungen von Unbekannten lassen schnell die Punktzahl in die Höhe schnellen. Deshalb haben die Bewertungen über die sozialen Netzwerke eine solch große Bedeutung: Hier steht hinter den Meinungsäußerungen ein Nutzer, ein Name, an den man sich später wieder wenden oder über den man herziehen kann, wenn er Unsinn geschrieben hatte. Das ist sehr viel glaubwürdiger als eine Empfehlung oder eine Warnung von Leuten wie »Raecher7« oder »HeinzausHamburg« oder wie immer sie sich nennen mögen. Ähnlich, nämlich mit dem Vertrauensvorschuss gegenüber einem Menschen, der für seine Outfit-Beratung mit seinem richtigen Namen steht, arbeiten die social commerce-Unternehmen wie Stylefruits.
Ein wenig trägt das Netz aber doch zur »Demokratisierung des Handels« bei: Firmen nutzen das Internet und die Netzwerke inzwischen, um die Kunden zeitweise zu Sortimentsmanagern zu machen. Die Drogeriemarktkette dm fordert Kunden auf, Vorschläge für die Mischung neuer Shampoos zu machen. Bei McDonald’s »voten« Gäste für Burger- oder Wrap-Kreationen, die sich andere Gäste ausgedacht haben. Und die Gewinner der Wahl gibt es dann im Restaurant zu kaufen. Ähnlich macht es Deichmann mit Schuhen, deren Design jedenfalls zum Teil von Kunden – besser: Usern – stammt. Facebook spielt dabei eine elementare Rolle, ebenso wie bei der Wahl zum »Schuh des Monats«. Der kann auch schon mal aus dem etwas schriller ausfallenden Sondersortiment stammen, das es nicht im Laden, sondern nur im
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