Schrei vor Glück: Zalando oder shoppen gehen war gestern (German Edition)
gehen. Wir haben kein Problem damit, das dann in derselben Konsequenz umzusetzen wie den ersten Entschluss, der sich als nicht perfekt erwiesen hat.« Zumeist kämen sie in den Abteilungen selber drauf, dass etwas nicht so läuft wie erhofft. »Der Impuls zum Umsteuern kommt selten von den Geschäftsführern, sondern meist von uns selbst.« Frühere Mitarbeiter bestätigen diese Art des Umgangs mit Fehlern. »Da hat man gar keine Zeit, sich lange um die Vergangenheit zu kümmern oder Schuldige zu suchen. Bei Zalando gilt: Scherben zusammenkehren, analysieren und es noch mal versuchen.« Das ist eher amerikanisch als deutsch.
Zu den spannendsten Aspekten der Zalando-Kultur gehört, dass hier die fast schon digital-rationalen Zahlenanbeter mit den Bauchmenschen aus der Modebranche ein gemeinsames Produkt auf den Markt bringen sollen. »Das geht sehr gut. Die Analytiker und Marketingleute bringen viel Wissen ein. Aber die Leute mit dem Gefühl sind wir, da redet uns dann am Ende keiner mehr rein. Jeder ist hier deutlich unternehmerischer tätig als in den meisten anderen Unternehmen.«
Und dann verwendet Benjamin Krümel beim Blick auf die Experten im Unternehmen, die nicht dauernd an Schuhmode denken, doch noch das Lieblingswort des Hauses: skalieren: »Wir haben inzwischen viele Kollegen hier, die früher bei den großen Beratungsunternehmen waren. Die wissen, wie man Unternehmen groß macht, wie man sie skaliert.«
Bitte zahlen!
Die Rechnung ging also nicht auf. Womit der heikelste Punkt beim Einkaufen erreicht wäre: Schon im klassischen Laden ist das Bezahlen immer wieder ein Ärgernis. Meist dauert es den Kunden zu lange, was sie vor der Kasse zumeist allenfalls murrend akzeptieren. Die wenigsten aber lassen ihren vollen Einkaufswagen an der Kasse stehen, weil es ihnen nicht schnell genug geht oder ihnen die Kassiererin nicht gefällt. Oder sie genau jene Zahlungsmittel nicht dabei haben, die die Mitarbeiterin des Händlers akzeptiert.
Genau das passiert aber täglich tausendfach im Internet. User brechen, nachdem sie sich minutenlang durch die Seite gekämpft und Ware ausgewählt haben, unmittelbar vor dem Abschluss ihres Einkaufs die Tour plötzlich ab. Meistens, weil ihnen nicht genügend Wahlmöglichkeiten über die Art des Bezahlens geboten werden oder ausgerechnet ihre gewünschte Variante nicht angeboten wird. Das ärgert die Konsumenten und kostet die einzelnen Händler Millionensummen an Umsatz, weil der Kunde nach dem Abbruch bei der Konkurrenz kauft – oder gar nicht mehr. Zalando bietet deshalb so ziemlich alle Bezahlarten, die es gibt: per Rechnung, Sofortüberweisung, Kreditkarte, PayPal oder Vorkasse.
Ärger gibt es vor allem dann, wenn ein Kunde, der per Rechnung zahlen möchte, diese Möglichkeit gar nicht angeboten bekommt. Vielleicht wird er gar zur Vorkasse gebeten. Dann ist er mutmaßlich bei der blitzschnell durchgeführten Bonitätsprüfung durchgefallen – beim »Scoring«, dessen Intransparenz Datenschützer Schaar kritisiert hatte. Denn die Bezahlmaske am Ende des virtuellen Ladenbummels sieht nicht für jeden Zalando-Kunden bei jeder Bestellung gleich aus. Weil das Risiko für den Händler, sein Geld für die bereits gelieferte Ware nicht zu bekommen, beim Kauf per Rechnung am größten ist, baut auch Zalando hier über die unbemerkte Bonitätsprüfung Extra-Sicherheiten ein.
Kunden, die es gewohnt sind, per Rechnung bezahlen zu können, sollten sich allerdings nicht auf diesem Status ausruhen. Denn Zalando reagiert sehr humorlos, wenn man sich nicht an die Regeln hält: Wer zwar den Großteil seiner Lieferung bezahlt, einen Artikel aber retournieren will und den Preis dafür deshalb nicht überweist, sich jedoch mit dem Zurückschicken zwei Wochen Zeit lässt, der bekommt erst einmal nichts mehr auf Rechnung. Sondern wird nach seiner Kreditkartennummer gefragt. Der erzieherische Effekt eines solchen Entzugs des Bezahlprivilegs auf den Kunden dürfte nachhaltig sein.
Die Details des Prüf-Verfahrens für Neukunden gehört zu den vielen Geheimnissen der Internethändler, auch von Zalando. Sebastian Siemiatkowski immerhin, Chef des europaweit tätigen Online-Zahlungsabwicklers Klarna aus Schweden, verriet Anfang 2013 beim Tengelmann e-day in ein paar Aspekten, auf die seine Systeme getrimmt sind, wenn es darum geht, die Bonität eines neuen Onlinekunden einzuschätzen: »Um welche Uhrzeit bestellt der Neukunde: Nachmittags um drei oder nachts um drei Uhr? Was für eine
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