Schroedingers Schlafzimmer
etwas von diesen Dingen? Du mußt dir Folgendes klarmachen: Entweder man verfügt über magische Kräfte, dann legt man sein Geld in irgendeinem Allerweltsfond an, und
läßt
diesen steigen. Aber wenn nicht, dann bleibt einem nichts anderes übrig, als sich Marks Ratschlägen zu beugen. Der Punkt bei der ganzen Geschichte ist also offensichtlich, daß Schrödinger
nicht
über magische Kräfte verfügt. Jedenfalls nicht über solche, die stark genug wären, den Geldmarkt zu manipulieren. Die Geschichte beweist, daß Oliver recht hat: Er ist ein Hochstapler.«
Do spürte, daß es ihr gut tat, so reden zu können. Indem sie Helma bewies, daß Schrödinger kein Zauberer war, sondern ein Betrüger, bewies sie es zugleich sich selbst.
|66| Helmas Antennen registrierten ihre Regungen, und sie sagte: »Liebste, paß auf, daß er
dich
nicht verzaubert.«
»Wie kommst du denn darauf? Und lenk nicht ab. Wie ging die Geschichte denn weiter?«
»Nun ja«, sagte Helma. »Mark hat sich gefragt, wieso Schrödinger sich mit einer Engelsgeduld eine Stunde lang all diese finanztechnischen Details angehört hat. Am Ende hat er sich nämlich für die Papiere einer bestimmten Firma interessiert, von der Mark noch niemals etwas gehört hatte. Er mußte sich da selbst erst kundig machen. Es handelt sich um einen Spielzeughersteller. Und das ist nicht unbedingt die Art von Papieren, die Mark seiner Kundschaft zum Kauf empfiehlt. Verstehst du, das verträgt sich irgendwie nicht miteinander: Spielzeug und Geldanlage. Die Leute denken, du wolltest ihr Anlagevermögen verschleudern und in Spielgeld verwandeln, wenn du ihnen so etwas vorschlägst. Es geht dabei um so eine Art phosphoreszierende Gummimasse, mit der sich irgendwelche bunten Formen oder Figürchen hervorbringen lassen – frag mich nicht nach Details.«
»Er will sein Geld in Knetgummi stecken?« Do dachte an die Unmengen von grellbunten Spielsachen im Zimmer von Jonas. Vielleicht hatte der Zauberer recht; vielleicht war von allen Trieben der Spieltrieb der unersättlichste und also die sicherste Investition.
»Das ist der Punkt, Do: Mark glaubt, daß dieses ganze Investmentgespräch nur ein Ablenkungsmanöver war. In Wirklichkeit hatte Schrödinger von Anfang an vor, diese Knetgummiaktien zu zeichnen. Aber es sollte nicht so aussehen, als würde er nichts anderes in Erwägung ziehen. |67| Es sollte nicht so
gezielt
aussehen. Und warum? Weil man natürlich sofort denkt, daß er als Magier schon seine
Gründe
für den Deal haben wird. Und was für Gründe können das schon sein, außer bestimmten hellseherischen Fähigkeiten? Ich bitte dich, Knetgummi! Das ist doch eigentlich ein Witz, oder? Jeden anderen würde man für verrückt halten, aber bei einem Zauberer wird man nachdenklich.«
Do hatte das Bedürfnis, ihre gerade erst erworbene Skepsis gegenüber Schrödinger unter Beweis zu stellen. »Vielleicht ist diese Knetgummigeschichte nur ein Ablenkungsmanöver, Zauberer sind Meister der Ablenkung. Helma, er ist ein ganz normaler Bankkunde, aber gerade
das
sollen wir nicht sehen. Das Schlimmste, was einem Zauberer widerfahren kann, ist, entzaubert zu werden. Und die Tatsache, daß wir seit einer Viertelstunde über ihn reden, beweist, daß sein Manöver gelungen ist.«
Mit demonstrativer Großzügigkeit ließ Helma ihrer Freundin diesen Punkt. »Ja, Liebe, da magst du recht haben. Es könnte wirklich so sein. Ich habe Mark auch abgeraten, auf der Stelle diese Aktien zu kaufen, nur weil Schrödinger es getan hat, und das übrigens nicht zu knapp. Aber ich darf dir die Summe nicht nennen, wegen des Bankgeheimnisses. Ich glaube, Mark war wirklich versucht, mit ins Boot zu springen. Das ganze Gespräch muß wie ein sonderbarer Traum gewesen sein, ich finde, dieser Schrödinger hat wirklich eine eigenartige Aura. Er verwirrt einen, das muß man ihm lassen. Dabei sieht er so harmlos aus, wenn er so lässig mit seinen grauen Haaren vor einem steht. Durch die heruntergezogenen Augenwinkel |68| wirkt er ja beinahe gutmütig, aber in Wahrheit scheint er äußerst durchtrieben zu sein.«
»Ja, das glaube ich auch«, pflichtete Do ihr eilfertig bei. »Durchtrieben ist der richtige Ausdruck. Wir müssen aufpassen, daß wir ihm nicht auf den Leim gehen. Wir wissen ja überhaupt nicht, was er eigentlich vorhat. – Helma, ich muß auflegen. Es kommt jemand in den Laden. Ciao, Beste.«
Wie meistens, wenn sie während der Arbeit telefonierte, hatte Do sich in die Ecke zwischen dem
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