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Schroedingers Schlafzimmer

Titel: Schroedingers Schlafzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Woelk
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nicht nur so
getan
, als würde er am Computer arbeiten. Und wie du selbst ganz richtig feststellst, kann es dabei gelegentlich vorkommen, daß man einfach nicht mitbekommt, was um einen herum vorgeht. Das ist alles. Und mit deinem Auftritt hast du ihn aufgescheucht, was ungefähr so ist, als hättest du ihn mitten in der Nacht geweckt. Er war verwirrt und mußte erst mal wieder zurück in die Realität finden. Glaubst du,
ich
wüßte immer, wo was ist? Mein Gott, wie oft renne ich quer durch die Boutique, um dann festzustellen, daß das, was ich suche, genau am anderen Ende steht!«
    Es entstand eine Pause, als müßte sich Helma Dos Standpunkt erst durch den Kopf gehen lassen. Aber Do vermutete, daß sie sich längst eine feste Meinung gebildet hatte und lediglich die dramatischen Sekunden bis zu ihrem nächsten Argument auskosten wollte. Schließlich sagte sie mit ruhiger Stimme. »Ich wünschte, du hättest recht.«
    »Helma, ich
habe
recht.«
    »Du meinst also, die Arbeit am Computer könnte Oliver gleichsam paralysiert haben?«
    »Für ein paar Minuten. Warum nicht? Niemand ist ständig in Hochform.«
    »Das stimmt natürlich«, sagte Helma bereitwillig, und Do spürte, daß sie jetzt ihren nächsten Trumpf ausspielen |141| würde: »Nur gibt es bei dieser Erklärung, die ich selbstverständlich auch als erstes in Erwägung gezogen habe, ein kleines Problem.«
    »Und das wäre?«
    »Daß der Computer, wie sich später herausgestellt hat, überhaupt nicht angeschaltet war.«
    »Ach?«
    »Ja, Do, das ist die Wahrheit. Wenn du mir nicht glaubst, kannst du Balthasar, ich meine Schrödinger, fragen. Der Bildschirm war zappenduster.«
    Daß Helma den Zauberer zum Kronzeugen gegen Oliver aufrief, stieß Do ab, und sie sagte: »Helma, ich denke nicht, daß Schrödinger bei so etwas mitspielen würde.«
    »Was heißt denn hier mitspielen?«, warf Helma ein, ohne sich sonderlich aus dem Konzept bringen zu lassen. »Aber egal. Vergiß Schrödinger wieder und frag Oliver. Er hat schließlich selbst eingeräumt, daß er seinen Rechner nicht hochfahren konnte, weil ihm irgendein Wurm,
Hasser
oder
Fuck-You
vermutlich, das System lahmgelegt hat. Do! Er
hat
nicht am Computer gearbeitet. Er hat nur so
getan

    Do fühlte sich in die Enge getrieben. Es war unmöglich, Helmas Behauptungen etwas Handfestes entgegenzusetzen. Aber war das überhaupt nötig? Alles, was Helma zu bieten hatte, waren Spekulationen, die sich auf ein paar Banalitäten gründeten. »Helma, übertreib es nicht«, ermahnte sie ihre Freundin. »Ich sag dir, was los ist: Oliver ist überarbeitet, und es wird Zeit, daß wir in Urlaub fahren – das ist alles. Mir geht es übrigens kaum anders, aber erstens haben wir noch Jonas ’ Geburtstagsfeier am Wochenende |142| hinter uns zu bringen – habe ich dir eigentlich schon erzählt, daß Oliver eine Zaubershow für die Kinder plant? Ich bin sicher, auch die zehrt an seinen Nerven – und meine eigene kleine Party in drei Wochen wäre ja auch noch zu organisieren. Jedes Jahr fragen wir uns aufs neue, ob wir meinen Geburtstag nicht lieber im Urlaub feiern sollten, statt hier. Aber meine Mutter wäre so enttäuscht darüber. Wir sehen uns so selten, und sie
liebt
diesen Termin im Hochsommer. Sie weigert sich, zu irgendeiner anderen Jahreszeit nach Berlin zu kommen, und beruft sich dabei auf ihre chronische Bronchitis. Und das, wo sie immer noch raucht. Sie hat ein völlig schizophrenes Verhältnis zu ihrem Körper.«
    »Ich verstehe dich ja, Liebes«, sagte Helma sanft. »Ich wollte dich auch nicht beunruhigen, ich finde nur, du hast ein Recht darauf zu erfahren, wie das gestern gewesen ist. Es hat mich übrigens total überrascht, daß Schrödinger eine Brille braucht. Findest du das nicht auch irgendwie komisch?«
    »Oliver hat es mir vor ein paar Wochen erzählt, nachdem Schrödinger bei ihm im Laden war. Es ist nämlich so, daß wir
durchaus
noch miteinander reden.« Sie konnte sich diesen aggressiven Kommentar zu Helmas Verdächtigungen nicht verkneifen.
    »Das weiß ich doch, Liebste. Entschuldige, ich bin wirklich unmöglich, und wenn ich in Fahrt bin, quassele ich einfach drauf los. Du glaubst ja gar nicht, wie begeistert Schrödinger war, als er die Brille aufgesetzt hat! Das hättest du erleben müssen. Es war
rührend
mit anzusehen, wie er sich gefreut hat. Und als er bezahlen wollte, stellte |143| sich dann heraus, daß Olivers Computer gar nicht lief. Zwanzig Minuten zuvor hatte er noch so getan, als

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