Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Schroedingers Schlafzimmer

Titel: Schroedingers Schlafzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Woelk
Vom Netzwerk:
in sein Zimmer zurückgezogen, und Jenny telefonierte mit einer Freundin.
    |177| »Oliver, ich kann doch nichts dafür, wenn deine Tricks nicht geklappt haben«, sagte Do ruhig. Sie trug Teller in die Küche. Auf den meisten lagen noch halbe Würstchen herum; durch zerfurchte Areale aus ungegessenem Kartoffelsalat zogen sich rote Ketchupadern. Der Anblick gab Olivers Wut weitere Nahrung. Er dachte daran, daß auf seinen eigenen Kindergeburtstagen in den sechziger Jahren nicht der winzigste Pelleschnipsel oder Mayonnaisenklecks auf den Tellern zurückgeblieben war. Die übersättigte Kindergeneration, die jetzt heranwuchs, machte sich nichts aus Essen, und das empörte ihn.
    »Meine Tricks
haben
geklappt«, rief er Do nach. »Der erste jedenfalls. Und mit dem zweiten wäre auch alles glatt gegangen, wenn Jenny ihn nicht mutwillig kaputtgemacht hätte.«
    »Das stimmt überhaupt nicht!«, rief Jenny aus der Küche. Sie stand mit dem Telefonhörer am Ohr unentschieden vor dem geöffneten Kühlschrank und überlegte, ob sie Cola oder Fanta trinken sollte.
    »Wage es nicht, noch
ein Wort
zu sagen, sonst vergesse ich mich!«, brüllte Oliver in die Küche.
    Sie knallte die Kühlschranktür zu und stürmte ins Wohnzimmer. »Woher sollte ich denn wissen, daß man bei deinem blöden Trick was falsch machen konnte? Es ging doch darum, die Karten zu
mischen

    »
Abheben
! Ich habe von Abheben gesprochen.«
    »Nein, du hast
mischen
gesagt.«
    »Und warum haben alle
abgehoben
, nur du nicht?«
    »Ich bin eben keine sieben mehr. Hör endlich auf, mich wie ein Kind zu behandeln.«
    |178| »Du
bist
ein Kind.«
    »Du bist so gemein! Nur weil du nicht zaubern kannst, soll ich schuld sein!« Sie rannte weinend aus dem Raum.
    »Wahrscheinlich steckst du mit deiner Mutter unter einer Decke. Du hast
meinen
Trick sabotiert, damit sie mit
ihrem
um so mehr glänzen konnte.«
    Mit psychotherapeutischer Ruhe sagte Do: »Du solltest dich mal reden hören. Du bist ja paranoid. Du hast dich als Mann in einen absurden Leistungsgedanken hineingesteigert, und weil du deinen eigenen Leistungsanforderungen nicht gerecht geworden bist, läßt du deine Frustration an uns aus.«
    »Wer hat sich denn heimlich einen Trick besorgt, um mich zu demütigen?«
    »Ich habe schon gesagt, daß ich dich nicht demütigen wollte.«
    »Woher hast du den Trick überhaupt?«
    »Von Schrödinger. Ich war vor ein paar Tagen bei ihm, weil seine Katze sich in unseren Garten verirrt hatte. Bei der Gelegenheit habe ich ihn um einen Trick gebeten, und er war so nett, mir den Kasten zu leihen. Ich gebe zu, daß ich dir das hätte sagen sollen, aber ich dachte, vielleicht brauche ich den Trick ja gar nicht. Ich wollte dich nicht zusätzlich unter Druck setzen. Ich habe dir
vertraut

    »Und warum hast du dir den Trick besorgt? Du hast
natürlich
gedacht, ich schaff’s nicht.«
    »Oliver, du
hast
es nicht geschafft«, sagte sie.
    Die Schale mit dem Kartoffelsalat war noch mehr als halbvoll. Oliver hatte Do gestern vorausgesagt, daß sie eine vollkommen absurde Menge Pellkartoffeln abkochte. |179| Sie setzte dabei die ganze Küche unter Dampf. Oliver hatte die Theorie entwickelt, daß sich alle Frauen im Alter von Do schuldig fühlten, weil sie nicht mehr waren wie ihre Mütter oder Großmütter. Deswegen übertrieben sie ihre Fürsorge und ließen sich bereitwillig von ihren Kindern ausnutzen.
    Jonas kam ins Zimmer. Er hielt einen Revolver in der Hand, mit dem man Pfeile mit Saugnäpfen abschießen konnte.
    »Papi«, sagte er, »der funktioniert nicht. Kannst du den reparieren?«
    »Jetzt nicht, Jonas«, sagte Oliver.
    »Warum denn nicht jetzt?«
    »Wo kommt der überhaupt her? Wer schenkt ihm
Waffen
?«, wandte er sich gereizt an Do.
    »Oliver, das ist keine Waffe.«
    »Wie würdest du es denn nennen?«
    Olivers Leben gründete sich auf eine Reihe von Prinzipien, nicht gerade viele vielleicht, aber daß er Waffen verabscheute und ihre Verwendung als klaren Beweis minderer Intelligenz wertete, gehörte in jedem Fall dazu. Für ihn war jede Waffe im Kern eine Keule. Unglücklicherweise existierten aber eine Menge Kinderfotos von ihm, zumeist um die Karnevalszeit herum entstandene Schnappschüsse, die ihn mit Cowboyhut und gezücktem Colt zeigten. Do fand seine Abneigung gegen Waffen zu doktrinär (»Wenn du sie Jonas verbietest, wird er diese Phase als Erwachsener nachholen.«) und konnte ihm anhand dieser Fotos und seiner eigenen Persönlichkeitsentwicklung beweisen, daß

Weitere Kostenlose Bücher